Bernhard Pötter
Wir retten die Welt
: Und jetzt zu den Börsennachrichten

Ich bin ein Fan der Öffentlich-Rechtlichen: Ohne ARD und ZDF gäbe es nur noch Propaganda und Schwachsinn, ohne KiKA hätten wir die Kinder nie groß bekommen; ohne rbb-Inforadio würde ich nicht überleben.

Umso schlimmer, was jeden Abend im ARD-Fernsehen passiert: Börsen-„Nachrichten“! Am Dienstag: Frankreich will eine Steuer auf Fluchbenzin, und – auweia – die Kurse von Lufthansa geben nach, weil – auweia, auweia – vielleicht weniger geflogen wird! Nicht gut für die Unternehmen, so das Öffi-Orakel, „wird doch die Zukunft an der Börse gemacht“.

Neinneinnein! Die Zukunft wird immer noch von uns gemacht, von Entscheidungen, Erfindungen, Kompromissen. Aber die ARD schwört uns jeden Abend auf das turbokapitalistische Casino ein, das die Welt ruiniert. Was muss jenseits von Lehman, Dieselgate und Klimachaos-Artentod noch passieren, um diesen Tanz ums goldene Kalb zur besten Sendezeit zu beenden? Wo bleibt die Pflicht von ARD und ZDF zu Bildung und Aufklärung? Wie es gehen kann, macht das Handelsblatt vor. Das hat die CO2-Bilanzen der DAX-Konzerne untersucht: Der Kurs ihrer Emissionen gehe trotz aller Öko-Schwüre in Richtung 5 (!) Grad. Und die Lufthansa hatte ihren Beitrag zur Klimakatastrophe um 13 Prozent gesteigert. Hurra, rufen die Börsianer! Wachstum!

Dummheit siegt. Aber da müssen JournalistInnen, die wir alle bezahlen, nicht mitmachen. Meinetwegen sollen sie darüber berichten – aber nur am Montag (da kann ich eh nicht). Sonst wollen wir relevante Infos zu Fragen der Ökonomie. Am Dienstag: Steuergerechtigkeit und Finanzhaie. Mittwoch: Wie bibbern Ökonomen vor dem Klimawandel? Donnerstag: Welche Wirkungen hat das Artensterben auf die Wirtschaft und umgekehrt? Freitag: Wie sieht ein Wirtschaften aus, das die UN-Millenniumsziele verwirklicht? Samstag: Was passiert hinter den Kulissen der Freizeitindustrie? Und Sonntag: Alternativen zum Irrsinn – Entschleunigung, Degrowth, Divestment.

Will keiner sehen? Doch, dafür sind unsere Öffis da! Solange sonntags Gottesdienste übertragen werden, sollten ein paar ketzerische Gedanken zur Marktwirtschaft möglich sein. Die Luft wird immer dicker. Das merken alle, nur nicht die JournalistInnen, denen beim Wort „Emissionen“ der Schweiß ausbricht – vor Begeisterung. Schließlich denkt ein echter Börsianer dabei nicht an Klimaklimbim. Sondern an was Reales: die Ausgabe von Aktien.