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Singende, klingende DNA

Pflanzen, die kommunizieren, eine Seifenblase, die die Ewigkeit anstrebt – die Medienkunstausstellung „The Edge of Now“ in Karlsruhe skizziert eine technologisch mögliche Zukunft – wenn denn die Technik funktioniert

Von Tom Mustroph

Medienkunst ist keine einfache Sache, das wird selbst bei der deutschen Vorreiterinstitution in dieser Branche, dem ZKM Karlsruhe, deutlich. In der Ausstellung „The Edge of Now“ blickt man zunächst eher zurück ins Gestern. Bei der Installation „The Long Now“ der Kölnerin Verena Friedrich fehlt das Trockeneis. Deshalb kann die Seifenblase, die in einem gläsernen Quader gekühlt werden soll, erst gar nicht entstehen. Halb belustigt, halb verzweifelt demonstriert der arme Museumsmitarbeiter, der an diesem Tag die Aufsicht im Raum hat, wie das Ganze eigentlich funktionieren soll: Ein Greifarm tunkt in Seifenlauge, fährt hin zur Öffnung des Kastens. Ein Luftstrom erzeugt dann die Blase und die durch das Eis heruntergekühlte Temperatur sorgt dann dafür, dass die Seife länger hält als üblich. Bis zu einer Stunde, ist in den Begleitmaterialien zu lesen.

Die Arbeit ist – natürlich – eine Auseinandersetzung mit den Tod-Überwindungstechnologien, in die so mancher in der Digitalwirtschaft reich Gewordene jetzt sein Kapital steckt, um auch den letzten Kampf, den gegen den Tod, zu gewinnen. Sicher, es wäre poetischer gewesen, der Seifenblase bei ihrem Kampf gegen das Zerreißen zuzuschauen. Der Lieferengpass beim Eis macht aber eben auch deutlich, was zum Beispiel beim Einfrieren menschlicher Körper in Zukunft alles schiefgehen kann.

Ärgerlicher sind andere Pannen im Ausstellungsparcours. Bei einem Film des Video-Künstlers Kim Heecheon ist zwar der Ton zu hören, aber das Bild fehlt. Bei einem zweiten Video von ihm fehlt beides. Die Haustechniker laufen aufgeregt hin und her, lösen konnten sie das Problem nur wenige Tage nach der Ausstellungseröffnung aber nicht. Es ist eben ein Kreuz mit den neuen Technologien. Das Kunstwerk selbst mag robust und gut transportabel sein – eine Voraussetzung für den internationalen Präsentationszirkus, „The Edge of Now“ ist schließlich auch das Produkt dreier renommierter Kunst- und Medienzentren in Deutschland, China und Südkorea – es braucht aber auch eine Infrastruktur, um sich entfalten zu können. Und die ist sogar beim ZKM erstaunlich anfällig.

Immerhin sieht man in dem einzigen der komplett einsehbaren Filme, „Sleigh Ride Chill“, warum der erst 30-jährige Kim in Asien als ein Star der Postinternet-Künstlergeneration gilt. Seine Filmräume sind Hybriden aus Computerspiel-Architektur und gebauten oder geplanten Glas-, Stein- und Stahlgebäuden. In einer Autorennszene in Seoul vermischt sich das Video-Racing mit Sequenzen des Verkehrs in der physischen Stadt. Narrationen über verschwundene Menschen und Suizid-Wettbewerbe werden über die Bilder ­gewoben.

Kim spielt zudem mit den gegenwärtig entwickelten Technologien der Gesichtserkennung und des Kopierens der visuellen Identität. Er legt die Gesichter seiner Protagonisten auf die Bewegtbilder von anderen Personen. Das macht auf das immer stärker auftretende Problem der Echtheit und Wahrhaftigkeit vom Bewegtbild im journalistischen Kontext aufmerksam. Und es eröffnet auch eine neue Selfie-Dimension. Man kann sich neben Donald Trump ins Oval Office kopieren, bei Videos vom Mauerfall die ersten Brocken aus der Mauer picken oder sich selbst als Schütze des Götze-Tors bei der WM 2014 inszenieren. Schade also, dass die anderen Arbeiten dieses in ­Seoul lebenden Künstlers, „Lifting Barbells“ und „Every Smooth Thing through Mesher“, nicht zu sehen waren.

Die alte Praxis des Abhörens erhält eine neue biotechnologische Aufladung

Bei Yang Jians Großinstallation „Forest of Sensors“ kommt erneuter Ärger auf. Der Wald aus echten und künstlichen Pflanzen, aus Kühlschränken, Diaprojektoren, Monitoren, Bällen und Puppen ist zwar sehr schön anzusehen. Man erkennt auch, dass alle Objekte verkabelt und mit Sensoren versehen sind, die auf Lichtveränderung, Erschütterungen, Bewegung und Temperaturdifferenzen zu reagieren vermögen. Den Installationswald darf man aber nur während gebuchter Führungen betreten. Außerhalb dieser Option steht man am Rande. Man bemerkt schon, dass die eigene Präsenz hier das Rattern eines Diaprojektors auslöst, dort eine Bewegung verursacht und auch das eine oder andere Monitorbild sich ändert. Man fragt sich allerdings auch, warum nicht stets begehbare Schneisen durch dieses Wald geschlagen wurden, um die Zufallsinteraktionen dieses Bio-Techno-Waldes noch intensiver zu erleben.

So bleibt, neben Kims einzig sehbarem Video, denn auch Verena Friedrichs zweite Arbeit, „Transducers“, die einzige komplett konsumierbare. In länglichen Glaskolben, die an Speziallampen erinnern, hat sie menschliches Haar gespannt. Dieses wird auf biologische Informationen gescannt und diese Informationen werden dann in Klang umgesetzt. Die singende und klingende DNA also. Und zwischen den Glaskolben stehend ist man von der Vorstellung hingerissen, jetzt den ganz authentischen Klang des Biomaterials zu erleben – und abgeschreckt von der Vision, dass all die jetzt schon durcheinander kommunizierenden Menschen in Zukunft nun auch noch ihre DNA schwätzen lassen könnten. Auch die alte Praxis des Abhörens erhält eine neue biotechnologische Aufladung.

An den Stellen, an denen „Edge of Now“ als Ausstellung tatsächlich vorhanden ist, sind interessante Blicke in eine nahe Zukunft möglich. Dass vieles nicht klappt, ist allerdings ärgerlich. Die drei Künstler*innen haben das nicht verdient. Und die weltweit tätigen 15 Experten, die die aufstrebenden Künst­le­r*innen nominierten, haben damit sicher auch nicht gerechnet.

Bis 27. Oktober, ZKM Karlsruhe

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