Es geht um mehr als nur ein Denkmal

Berlins Regierung will sich der kolonialen Vergangenheit der Stadt stellen. Und will viel mehr als reine Symbolpolitik

Von Susanne Messmer

Die halbe Welt spricht über unsere postkoloniale Gegenwart, über den Genozid an den Herero und Nama durch die deutsche Kolonialmacht im heutigen Namibia beispielsweise über Provenienzforschung und Rückgabe kolonialer Beutekunst an die Herkunftsländer – und nun hängt sich auch noch Berlin an diese Debatte? Ende März dieses Jahres hat das Abgeordnetenhaus einen Antrag eingebracht, bei dem der Senat aufgefordert wird, ein „gesamtstädtisches Aufarbeitungs- und Erinnerungskonzept zu entwickeln, das Berlins Rolle und historischer Verantwortung als ehemaliger Hauptstadt des Deutschen Kaiserreichs […] gerecht wird“. Vor allem war die Rede von einer zentralen Gedenkstätte als Lern- und Erinnerungsort. Dass es dabei um mehr geht als um reine Symbolpolitik, die Abgeordnete von CDU, FDP und AfD sofort ausmachten, das wurde am Montagnachmittag bei einer Anhörung von Experten zum Thema Postkolonialismus im Kulturausschuss deutlich.

Die Stadt Berlin hat sehr viel mehr Möglichkeiten, sich ihrer postkoloniale Gegenwart zu vergegenwärtigen. Es beginnt schon mit den Museen: Da gibt es ja nicht nur jene, die in Berliner Hand sind, also das Naturkundemuseum, das Anfang des 20. Jahrhunderts eine paläontologische Expedition in Namibia durchführen ließ, ums Medizinhistorische Museum, wo unzählige Gebeine lagern, die deutsche Kolonialherren nach Berlin verschleppten, und um den Botanischen Garten, der 1891 als „Zentralstelle für Deutsche Kolonien“ gegründet wurde, um Daten über die Plantagenwirtschaft in den Kolonien auszuwerten. Auch in anderen Museen wie dem Humboldt Forum, das nächstes Jahr eröffnen soll und das hauptsächlich ein Projekt des Bundes ist, habe sich Berlin stets eingemischt, so Lederer. In kaum einer Stadt gibt es mehr zivilgesellschaftliche Initiativen, die das Thema seit Jahren beackern und nun integriert werden sollen.

Auch darüber hinaus gibt es zahlreiche Bereiche, in denen Berlin mehr Geld in die Hand nehmen könnte als zur Verfügung stehen, um den BerlinerInnen die Kolonialzeit und ihre Folgen bewusster zu machen. Nach wie vor schaffen es die wenigsten Geschichtslehrer, die Kolonialzeit zum Thema zu machen. Hinzu kommen die Berliner Straßen, die nach deutschen Kolonialherren benannt sind. Und über Städtepartnerschaften wie der zwischen Berlin und Namibias Hauptstadt Windhoek dürften die wenigsten BerlinerInnen auch nur informiert sein.

„Jeder ist aufgerufen, den Kolonialismus aufzuarbeiten“, meint Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland. Berlin hat schon einmal damit angefangen.