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Spanien ist sein Traumziel

Ivan Timohin verlebt den Sommer in einem Marzahner Jugendclub. In die Ferien fährt er nur alle drei Jahre

Protokoll Stefan Hunglinger

Ivan Timohin ist 16 Jahre alt und verbringt seinen Sommer in Marzahn. Jeden Mittag läuft er die zwei Straßen von zu Hause zum Jugendclub Wurzel an der Ahrensfelder Chaussee. Hier zeichnet er Anime-­Comics, spielt mit den anderen Tischtennis oder Kicker.

Sonst kommt er nach der Schule hierher, jetzt in den Ferien schläft er morgens aus, denn Computerspiele halten ihn abends lange wach. „Ich habe mit meinem Bruder eine Abmachung getroffen, weil wir uns ein Zimmer teilen. Tagsüber darf er zocken, und ich muss raus, abends darf ich dann spielen.“

Geboren ist Timohin in Katarkol, einem Dorf, vier Autostunden von der kasachischen Hauptstadt Nur-Sultan entfernt. Vor 14 Jahren ist seine Familie nach Berlin gekommen, einige Verwandte wohnten bereits hier, haben der Familie beim Einleben geholfen, ihnen Geschirr geschenkt. Timohins Vater stammt aus der deutschsprachigen Minderheit in Kasachstan, konnte die Sprache schon ein wenig und bestreitet das Einkommen der Familie. Seine Mutter hat Anschluss in der Marzahner Baptistengemeinde gefunden, sie betreut zu Hause die vier Kinder. Das jüngste ist erst ein Jahr alt.

„Wir sparen, und alle drei Jahre fahren wir dann in den Ferien zurück nach Kasachstan, entweder mit dem Flugzeug oder mit dem Auto.“ 4.500 Kilometer sind es von Marzahn bis Katarkol. „An der Ostsee waren wir auch schon mal im Urlaub, dieses Jahr bleiben wir aber hier“, erzählt Timohin. Das ist nicht schlimm, weil ziemlich viele Freund*innen aus der Schule und dem Jugendclub in Berlin bleiben. Andere Ferien waren aber frustrierend, weil die meisten auf Mallorca oder anderswo im Urlaub waren. „Und ich saß dann allein hier.“

Die Angebote im Jugendclub, etwa Graffiti-Workshops, sind kostenlos, für Boxhandschuhe spart Timohin sein kleines Taschengeld. Auch die Copic-Marker, spezielle japanische Stifte fürs Comiczeichnen, gehen ins Geld. „Meine Eltern sind sehr sparsam, aber wir haben genug zum Leben. Manchmal machen wir auch etwas Besonderes und gehen zum Beispiel ins Sealife.“ Aber auch ohne Eintrittsgeld zahlen zu müssen, kann man hier Ferienausflüge machen, zum Beispiel mit dem Papa in Brandenburg angeln gehen und dann die selbst gefangenen Fische braten: „Familienzeit.“

Timohins Traumziel ist Spanien, ein wenig Spanisch hat er sich schon selbst beigebracht. „Aber auch von Griechenland hab ich Schönes gehört.“

Ivan Timohin (16) ist Oberstufenschüler an einem Marzahner Gymnasium. Später möchte er Architekt werden.

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