: Schwimmender Löwe
Für den Weltverband Fina ist der britische Weltrekordler Adam Peatyein Glücksfall, obwohl er zugleich einer ihrer größten Kritiker ist
Von Jannik Höntsch
Wenn Adam Peaty die Schwimmhalle betritt, wird es laut. Es sind Momente, in denen die Spannung und vor allem die Erwartungen steigen. Denn sobald er auftaucht, sind Highlights garantiert. Wenn er selbstbewusst die Startbrücke betritt. Wenn er seinen grimmigen Blick langsam durch die Halle schweifen lässt. Wenn er seinen Trainingsanzug bedächtig ablegt, zu seinem Startblock schreitet und sich auf sein imposantes Löwentattoo am linken Oberarm klopft. Dann wirkt der 1,91-Meter-Hühne durch seine riesigen Muskelberge noch viel größer als er eigentlich ist. Und laut wird es gewiss auch am Mittwoch werden, wenn der britische Brustschwimmer im Aquatics Center von Gwangju zum 50-Meter-Finale begrüßt wird. 11.000 Zuschauern bietet die Halle Platz.
Seit seinem EM-Titel im Berliner Velodrom 2014, schwimmt der 24-Jährige in anderen Sphären. Er ist Weltrekordhalter über 50 und 100 Meter Brust. Auf letzterer Strecke ist nur er unter den zehn schnellsten, jemals gewonnenen Zeiten zu finden. Den ehemaligen Weltrekord vom Südafrikaner Cameron van der Burgh hat er um fast eineinhalb Sekunden verbessert. Während außer ihm noch kein anderer unter 58 Sekunden schwamm, durchbrach er bei der laufenden WM in Südkorea die Schallmauer von 57 Sekunden. Mit seiner Fabelzeit von 56,88 vollendete er sein zuvor öffentlich verkündetes „Project 56“.
In Gwangju ist der Brite allerdings nicht nur durch Leistungen im Becken aufgefallen. Wie schon einige Schwimmer hatte auch Peaty den laschen Umgang des Weltverbands Fina mit dem bereits gedopten Weltmeister Sun Yang angeprangert. Peaty, der sich öffentlich stets deutlich für einen sauberen Schwimmsport ausspricht, erklärte, er wolle nicht sehen, „dass dieser Typ gegen meine Teamkollegen antritt, die extrem hart arbeiten, um hier zu sein“.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Brustspezialist sich gegen den Chinesen Sun und die Fina positioniert. Peaty wirbt für die höhere Attraktivität des Schwimmsports, verlangt höhere Preisgelder und sieht die Schwimmer nicht ausreichend respektiert. Falls sich dies nicht ändern sollte, drohte er deshalb schon das ein oder andere Mal einen Fina-Boykott an.
Ein Enttäuschter
Zu den großen Medaillenkandidaten zählte Florian Wellbrock über die 800 Meter Freistil – erst recht nach dem Gewinn der Goldmedaille Anfang letzter Woche über 10 Kilometer im Freiwasser. Überraschend deutlich schied er am Dienstagmorgen dann bereits im Vorlauf aus. Mit 7:53,75 Minuten blieb er mehr als zehn Sekunden über seiner persönlichen Bestzeit. Für das Finale fehlten dem 21-Jährigen mehr als fünf Sekunden. Der enttäuschte Wellbrock ließ sich nur schriftlich vom Deutschen Schwimmverband (DSV) zitieren. „Ich bin überhaupt nicht ins Rennen reingekommen. Und ich kann es mir zurzeit auch nicht erklären, eigentlich hatte ich mich ganz gut gefühlt.“
Eine Beglückte
Sarah Köhler sorgte am Dienstag für die erste deutsche Becken-Medaille bei der Schwimm-WM. Sie gewann die Silbermedaille über 1.500 Meter Freistil. Die 25-Jährige schlug am Dienstag nach 15:48,83 Minuten an und blieb dabei mit mehr als fünf Sekunden klar unter dem deutschen Rekord. Sie musste sich nur mit rund acht Sekunden Rückstand der Italienerin Simona Quadarella geschlagen geben. Köhler profitierte bei dem Erfolg auch vom Fehlen der amerikanischen Seriensiegerin und fünffachen Olympiasiegerin Katie Ledecky. Die 22-Jährige aus den USA hatte ihren Start aus gesundheitlichen Gründen abgesagt.
Große Unterstützung von Peaty erfährt folglich der ukrainische Milliardär Konstantin Grigorishin, der das Konzept einer unabhängigen, internationalen Schwimm-Liga entwarf. Die International-Swim-League (ISL) soll den Sport und seine Akteure populärer machen und die Schwimmer durch ein festes Gehalt finanziell besser absichern. Sogar von Versicherungs- und Rentenplänen ist die Rede. Außer ehemaligen Doping-Betrügern wolle man es dort jedem Athleten ermöglichen, seine Karriere bestmöglich zu verfolgen.
Sich für die Zukunft des Schwimmsports und seiner Protagonisten einzusetzen, ist Peatys Herzensangelegenheit. In den sozialen Netzwerken etwa, gewährt er seinen Fans in regelmäßigen Fragerunden tiefe Einblicke in seinen Profialltag und nimmt häufig an Charity-Events rund um den Schwimmsport teil. Häufiger sieht man den Ausnahmeathleten am Rande der Schwimmbecken mit Nachwuchssportlern sprechen. Fotowünschen kommt er bereitwillig nach. Bei kleineren Wettkämpfen schwänzt er dafür sogar mal das obligatorische Lockerschwimmen nach seinen Starts.
Heute beim WM-Finale über 50 Meter wird der Brustspezialist dagegen mit großer Konzentration erneut vor allem gegen seine eigenen Rekorde anschwimmen. Denn in diesen exklusiven Bereich dringen seine Gegner ohnehin nicht vor. Adam Peaty wird dann wieder seine Löwen-Badekappe aufsetzen, auf sein Löwen-Tattoo klopfen und ins Wasser springen.
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