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Kasseler Innenstadt bunt, nicht braun

Gewerkschaften, Grüne, Linke und auch die CDU: In Kassel demonstrierte am Samstag ein breites Bündnis gegen einen Aufmarsch der neonazistischen Kleinstpartei „Die Rechte“

Aus Kassel Christoph Schmidt-Lunau

„No pasarán“ – Sie kommen nicht durch. Diese Parole aus dem Spanischen Bürgerkrieg hatte das Kasseler „Bündnis gegen rechts“ als Motto gewählt, um gegen einen Aufmarsch von Neonazis am Samstag in der nordhessischen Großstadt zu protestieren. Mit Erfolg: Die AnhängerInnen der Minipartei „Die Rechte“ kamen nicht weit.

Es sollte eine gezielte Provokation sein: Ausgerechnet am 20. Juli, dem Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Hitler, wollten die braunen KameradInnen durch Kassel ziehen. Also durch jene Stadt, in der Halit Yozgat vom rechtsterroristischen NSU ermordet wurde.

Und offenkundig ging es ihnen bei ihrer Demonstration „gegen Pressehetze, Verleumdung und Maulkorbphantasien“ nicht zuletzt um eine Verhöhnung des von einem Neonazi ermordeten Kasseler Regierungs­präsidenten Walter Lübcke – auch wenn das der Organisator Christian Worch mit der ihm eigenen Süffisanz dementierte: „Wir sind nach Kassel gekommen, weil es zentral liegt“, sagte er.

Doch am Ende dieses denkwürdigen Tages hatten nicht die Neonazis, sondern die mehr als zehntausend GegendemonstrantInnen ein Zeichen gesetzt. Dem großen bunten Protest in der Innenstadt standen gerade mal 120 rechte AktivistInnen gegenüber, die jenseits der City auf der anderen Seite der Fulda mit drei Stunden Verspätung knapp 45 Minuten lang vorbei an geschlossenen Läden marschierten – begleitet von „Nazis raus!“-Rufen und Trillerpfeifenlärm.

Es sein ein „Riesenerfolg“, dass es gelungen ist, die Rechten aus der Innenstadt zu verdrängen, sagte der Linkspartei-Landtagsabgeordnete Torsten Felstehausen, einer der Organisatoren des Gegenprotests, der taz. Gleichwohl beklagte er: „Ein lächerlicher Haufen hat eine ganze Stadt in Geiselhaft genommen.“

Bei dem Versuch, die Neonazi-Demo zu verbieten, war die Stadt Kassel vor den Verwaltungsgerichten gescheitert. Doch das Gegenbündnis hatte vorgesorgt. Für zwei Dutzend Plätze in der Stadt hatten insgesamt 122 Organisationen Kundgebungen und Veranstaltungen angemeldet. Grund genug für die Behörde, Worch und seinen „Nationalen Widerstand“ auf einen Platz vor einem ehemaligen Gefängnis außerhalb der Innenstadt zu verbannen.

Schon eine Stunde vor dem offiziellen Starttermin hatten sich vor dem Hauptbahnhof mehr als tausend GegendemonstrantInnen eingefunden. Es wehten rote und grüne Fahnen, aber auch die von Gewerkschaften und der CDU. An der Bahnhofsfassade grüßte ein Großplakat des taz-Karikaturisten ©Tom: „Nazis zu Pflugscharen“ konnte man darauf lesen.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Timon Gremmels war mit dem Fahrrad gekommen. Aus Sicherheitsgründen fuhren weder Busse noch Bahnen in der weiträumig abgesperrten Innenstadt. „Kassel, du siehst gut aus, nicht braun, sondern bunt!“, rief die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Nicole Maisch von der Bühne.

Unter den DemonstrantInnen war auch der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein. Als „empörend und eine Verhöhnung der Opfer und deren Angehörigen“ bezeichnete er gegenüber der taz den rechten Aufmarsch.

„Gemeinsam können wir stolz sein auf dieses eindrucks­volle Zeichen“

Christian Geselle, Kassels OB

Bis zum Mittag hatte sich die Kasseler Innenstadt in ein großes Open-Air-Festival verwandelt. Auf Plätzen und Straßen wurde diskutiert, musiziert und gefeiert.

Am Unterneustädter Kirchplatz auf der anderen Seite der Fulda ein anderes Bild. Eine Stunde lang waren Versammlungsleiter Worch, seit mehr als 40 Jahren in der Neonaziszene aktiv, und vier seiner GesinnungsgenossInnen unter sich. Mit Verspätung traf ein Bus aus dem Ruhrgebiet ein, wo „Die Rechte“ ihre Hochburgen hat. An Bord 80 Menschen, viele Glatzen und auch jener viel fotografierte Herr aus Holland, der als „Führer“-Imitator stets mit Hitlerfrisur und -bärtchen posiert. Eine weitere Stunde dauerte es, bis 40 weitere AnhängerInnen angekommen waren. Das war’s dann aber auch.

In Richtung der „Pressehetzer“ und aller anderen, die sich aus seiner Sicht „so schwer gegen unser Volk versündigt haben“, drohte der „Die Rechte“-Bundesvorsitzende Sascha Krolzig in seiner Rede: Wenn eines Tages „wir das Heft des Handelns in der Hand haben“, dann würden „die Volksgerichte ihre Arbeit aufnehmen“. Diese Worte klangen in der Tat bedrohlich. Die überschaubare Rechte-Demonstration war es nicht.

„Ausgrenzung, Gewalt, Hass, Hetze und Terror haben in Kassel keinen Platz“, zog Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) am Samstagabend zufrieden Bilanz. „Gemeinsam können wir stolz sein auf dieses eindrucksvolle Zeichen.“

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