Sophie Jungschaut sich in Berlins Galerien um
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Die Website von Peter Piller ist selbst schon Kunst (www.peterpiller.de). Der zwischen Fotografie, Zeichnung und Konzept arbeitende Künstler hat hier ein überall abrufbares Archiv der Nebensächlichkeiten angelegt, die er zu einem wunderbar ironischen Deutschlandbild zusammenfügt. Bei Capitain Petzel ist nun seine Kunst auf das große Ausstellungsformat geweitet. Auf den 1.200 qm der Galerie erhält sein dekonstruierender Blick auf das Unwesentliche etwas Monumentales. Ein Stein, ein Baumstamm oder eine Nacktschnecke gehören zum kargen Repertoire seiner Fotoreproduktionen. Bis zur Unkenntlichkeit vergrößert werden die Motive zu einsamen Zeichen an den weißen Wänden, in die man wieder eine eigene Bedeutung hineinzuinterpretieren meint. Die verlorenen Symbole holt Piller aber mit seinen kryptischen Zeichnungen von Orten wieder in ein Koordinatensystem zurück, obgleich man nicht weiß, welches (bis 3. 8., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Karl-Marx-Allee 45).

Very zeigt Installationen von Antoine Renard. Metallrohre, Gummischläuche und anderes industrielles Material ordnet er zu grellfarbigen Abstrakten zusammen, die ebenso roh und direkt wirken wie der Ausstellungsraum, eine ehemalige Werkstatt in einem Weddinger Hinterhof. Obwohl die Skulpturen mit strahlenförmigen und geometrischen Strukturen mehr Form als Figur sind, folgen sie den Abmessungen des menschlichen Körpers. Deutlicher wird dieser Eindruck an einer Reihe von Aquarellen. Auf aus dem Netz gezogenen historischen Anatomiestudien, etwa von Albrecht Dürer, markiert Renard die Spuren seiner eigenen Körperanalyse mit Farbe. Doch: Es riecht nach Weihrauch, auf dem Bildschirm im Hintergrund kreist ein Bauch im Loop zum Gesang eines Schamanen, und die im Raum ausgebreitete Untersuchung zur Bemessbarkeit des Körpers wandelt sich in eine Sphäre des Mystischen (bis 29. 7., Besuch nach Vereinbarung: veryprojectspace@gmailcom, Badstr. 66).

Zwischen dem Glaspavillon von Capitain Petzel und der Hinterhofgarage von Very liegt das schon seit einer Dekade leer stehende Haus der Statistik. Der mittlerweile auf sein Betongerippe reduzierte Bau ist dank einer Initiative kein Investorenprojekt geworden, sondern soll ein Standort für Kultur und Soziales werden. Die Ausstellung „Haus der Statistik – Modellprojekt kooperativer Stadtentwicklung“ zeigt den leider viel zu ungewöhnlichen Prozess der kollektiven Aneignung eines eigentlich schon wegrationalisierten Gebäudes – und die schrägen Infografiken von Koop 5 lohnen sich (bis 21. 7, Do.–Sa. 10–18 Uhr, Karl-Marx-Allee 1).