Low-Budget aus einem Guss

Als Filmemacher ist der Oldenburger Carsten Woike erfolgreicher Autodidakt. Mit seinem dritten Kurzfilm „Antenna“ war er auf internationalen Festivals erfolgreich. Jetzt will er endlich Langfilme inszenieren

Gibt‘s hier Tipps zum Bau von Weltraum-Funkanlagen? „Antenna“-Dreharbeiten in Bremen Foto: Carsten Woike Film

Von Wilfried Hippen

Vom „Sci-Fi Feedback Film Festival“ im kanadischen Toronto wird hierzulande kaum jemand etwas gehört haben – genau dort aber erhielt jetzt ein Oldenburger den Preis für den besten Film: Der Mann heißt Carsten Woike, der prämierte (Kurz-)Film trägt den Titel „Antenna“: Der 16-Minüter handelt von einem kleinen Jungen, der so gerne mit Außerirdischen spräche.

Es ist ein Festival von der Branche für die Branche, dieses „Fantasy/Sci-Fi Film & Writing Festival“. Das mit dem „Writing“, dem Schreiben, ist wichtig, denn dort werden auch Drehbücher vorgestellt, und das von professionellen Schauspieler*innen. Den Aspekt „Feedback“ wiederum kann man im Netz in Augenschein nehmen: Auch eine Diskussion nach der „Antenna“-Vorführung steht als kurzes Video online, und es müssen viele junge Filmemacher*innen im Publikum gesessen haben, die dann erstaunlich pointierte Kommentare etwa zur Dramaturgie von Woikes Film äußerten.

Die Festivalkarriere von „Antenna“ ist schon recht lang: Nach einer Premiere auf dem Filmfest Bremen im Jahr 2016 gewann er im selben Jahr auch den Kritiker*innenpreis der Bremer Short Film Collection, dem Kurzfilmwettbewerb des dortigen Filmbüros. 2017 dann erhielt „Antenna“ beim South Texas International Filmfestival gleich zwei wichtige Preise: für den besten Kurzfilm und die beste Regie; danach lief er auf Festivals in Los Angeles, Hyderabad, Liverpool, Berlin, Bayreuth, Fargo und North Dakota. Nicht überall hin hat der Macher seinen Film begleitet, aber ins texanische Edinburg, nach Los Angeles, nach Großbritannien und Bayern – zum Teil auf eigene Kosten.

Gelungene Ambiguität

„Der elfjährige Kai lebt mit seiner Schwester und seinem alkoholkranken Vater in der Nähe von Bremen“, so beschreibt das Bremer Filmbüro das Setting von Woikes Film „Mit seinem selbstgebastelten Funkgerät versucht er, Kontakt zu Außerirdischen aufzunehmen und lernt so eines Tages den achtzigjährigen Ludwig kennen.“ Dieser indes behauptet, ein Alien zu sein und just in dieser Nacht mit einem Raumschiff wieder „nach Hause“ zu fliegen. Vermutlich nur ein Mann, so einsam wie der Junge – aber warum gibt es dann diese seltsamen Lichterscheinungen am Himmel über der Stadt? Geschickt spielt Woike mit dieser Ambiguität, die auch das Publikum in Toronto gelobt hat. „Antenna“ ist überhaupt aus einem Guss: stimmig gestaltet, gutes Drehbuch, nuancierte Regie, gute Besetzung und, durchaus nicht zuletzt, eine atmosphärisch dichte Musik im Stil des Spacejazz der 1970er-Jahre.

Verdient hat Woike nichts damit. Im Gegenteil: Geld bekam er nur von der „Microförderung“ des Filmbüros – 500 Euro. Er selbst musste nochmal das Drei- bis Vierfache dieses Betrags zuschießen. Außer den erwähnten (sowie einigen weiteren) Festivals war der Film dann nie irgendwo zu sehen.

Der Regisseur nennt seine Kurzfilme denn auch „teure Visitenkarten“ in der Hoffnung, sich damit einen Namen zu machen, um so die Chance zu bekommen, auch mal einen Langfilm zu inszenieren. Drei Kurzfilme hat Woike seit dem Jahr 2010 gedreht, an seinem vierten arbeitet er: „Patrick is outside“, einen „satirischen Horrorfilm“ nennt, so Woike, der „die bürgerliche Familie auf die Schippe nimmt“.

Pionier des Theater-Trailers

Der heute 42 Jahre alte Woike kam nach Abitur und Studium (Germanistik, Philosophie, Psychologie) beim Staatstheater in seiner Heimatstadt Oldenburg unter: Dort arbeitete er als Regieassistent und Regisseur. Als dieses Engagement beendet war, bewarb er sich nicht wie üblich an anderen Theatern – er hatte sich gegen die ständige „Rumzieherei“ entschieden, die so eine Theater-Karriere mit sich bringt. Für das Oldenburger Theater drehte er kurze Trailer – was im Jahr 2007 in Deutschland noch so gut wie unbekannt war. Bald aber setzten Theater allerorten zunehmend auf solche Bewegtbilder.

Woike, der sich schon seit seiner Kindheit für das Filmen interessiert und mit der Super-8-Kamera seines Vaters erste Filme gedreht hatte, war inzwischen als Autodidakt zu einem soliden Filmhandwerker geworden. Heute kann er schreiben, inszenieren, schneiden und mit der Kamera arbeiten. Seine Erfahrungen in der Theaterbranche und die passenden Kontakte führten dazu, dass er zum ersten Produzenten von Theatertrailern hierzulande wurde; davon macht er immer noch rund ein halbes Dutzend pro Jahr, für Schaubühne Berlin, das Düsseldorfer Schauspielhaus und das Burgtheater Wien. In letzter Zeit hat er auch Opern-Trailer für das Theater Lübeck gedreht, für die dortige „La Traviata“ zum Beispiel.

Woikes Brotjob sind Messefilme, die Produkte und Dienstleistungen der Kund*innen anpreisen. Doch sein Ehrgeiz besteht darin, Spielfilme zu machen. Für ein Projekt hat ihm die Fördereinrichtung Nordmedia eine Drehbuchförderung bewilligt – vielleicht half dabei ja auch der Preis aus Toronto?

www.carstenwoike-film.com