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Ein Stein für August Moos

August Moos war als Erdölgeologe an der Erkundung von Niedersachsens Rohstoffen beteiligt. Er war Jude, 1944 ermordeten ihn die Nazis im KZ Buchenwald. Nun wird in Gedenken an Moos und seine Familie in Hannover ein Stolperstein verlegt

Von Simone Schmollack

Am Ende hat alles nichts genutzt. All die Versuche von August Moos, nach Australien und Amerika zu emigrieren, seine Flucht nach Jugoslawien. Am Ende wurde Moos von den Nazis ermordet. Kurz vor Kriegsende am 30. Dezember 1944 wurde der jüdische Erdölgeologe im Konzentrationslager Buchenwald umgebracht. Seine Mutter starb zuvor, im Oktober 1944, im KZ Bergen-Belsen an Hunger, sein Sohn kurz nach Kriegsende mit 15 Jahren an den Folgen des Lageraufenthalts.

Jetzt bekommen die drei in Hannover ein Denkmal, besser gesagt drei Stolpersteine, eingelassen in den Boden vor dem Haus in der Ferdinand-Wallbrecht-Straße 18, wo die Familie jahrelang gewohnt hatte. Am Donnerstagmittag gegen 11.15 Uhr sollen sie verlegt werden. Mit dabei ist der „Erfinder“ der Stolpersteine, der Künstler Gunter Demnig.

Demnig reist seit Juni wieder verstärkt durch Europa, nach Tschechien, Ungarn, Österreich, Niederlande, Belgien und verlegt dort die kleinen goldenen Steine, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Auf den glatten Flächen, die auf dem Bürgersteig ins Augen fallen, stehen der Name sowie die Geburts- und Todesdaten der NS-Opfer. Am Donnerstag sollen in Hannover insgesamt 22 Stolpersteine verlegt werden.

Bereits als Zwölfjähriger suchte Moos nach Fossilien

August Moos dürfte den meisten Menschen kein Begriff sein. Aber er war für Niedersachsen und Hannover „von großer Bedeutung“, wie Heinz-Gerd Röhling, Geschäftsführer der Deutschen Geologischen Gesellschaft (DGGV), sagt: „Moos war an der Erkundung von Erdöl- und Eisenerzlagerstätten vor allem in Salzgitter maßgeblich beteiligt.“ Die Zahl der Geologen, die sich mit der Erkundung solcher Rohstoffe beschäftigten und deshalb Erdölgeologen genannt werden, war in den 1920er- und 1930er-Jahren gering, deutschlandweit dürfte es nicht einmal 100 Erdölgeologen gegeben haben.

Erdölförderung verbindet man eher mit Ländern wie Saudi-Arabien, den Vereinigten Staaten, Russland, Kanada. Und doch soll in der Nähe von Celle 1858 das erste Mal Erdöl industriell gefördert worden sein. Vermutlich könnte es dort die erste Erdölbohrung der Welt gegeben haben. Heute wird vor allem in Niedersachsen und Hessen nach Erdöl gebohrt, laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe beträgt die jährliche Fördermenge etwa 2,22 Millionen Tonnen. Deutschland verbraucht aber jedes Jahr rund 120 Millionen Tonnen des fossilen Energieträgers und importiert den Rohstoff daher verstärkt – vor allem aus Russland.

Moos wurde 1893 in Ulm geboren, schon als Kind interessierte er sich für Geologie, mit 12 Jahren gründete er einen „Steinverein“. So könne man sich vorstellen, wie er mit seinem Bruder und seinen Freunden „Fossilien und Steine sammelte und bestimmte“, wie der Geologe Andreas Hoppe und die Biologin Dorothee Hoppe in einem Text in einer Geowissenschaftlichen Zeitschrift über Moos schreiben. Die beiden haben die Verlegung der Steine für Moos und seine Angehörigen in Hannover initiiert.

Bedeutender Geologe für Niedersachsen

Geolog*innen zählen Moos zu einer der wichtigsten historischen Persönlichkeit in der Geologiegeschichte Deutschlands und Niedersachsens. Nachdem Moos ab 1921 die Erdöllagerstätten in Salzgitter erforscht hatte, arbeitete er später zeitweilig in Jugoslawien und in der Türkei. Seine Frau Beata war Paläontologin, 1936 zog die Familie nach Hannover.

Als die Situation für Juden in Deutschland immer gefährlicher wurde, nahm Moos 1938 Kontakt zu einem Kollegen auf, der mit seiner jüdischen Frau vor den Nazis nach Australien geflohen war. Die Antwort des Kollegen fiel ernüchternd aus: „Der Bedarf Australiens an Geologen ist leider recht gering und die Nachfrage scheint jedenfalls im Allgemeinen nicht größer zu sein, als dem natürlichen Nachwuchs hier im Lande entspricht.“

Selbst der Physiker Albert Einstein, der mittlerweile in die USA ausgewandert und mit dem die Familie Moos zweiten Grades verwandt war, konnte nicht helfen. Moos, seine Mutter, seine Frau und seine beiden Kinder versuchten, sich in Jugoslawien zu verstecken. Dort fand Moos eine Stelle bei der Kroatischen Sparkasse. Ende Juli 1944 jedoch wurde die Familie verhaftet und ins Konzentrationslager Bergen-Belsen verschleppt. Überlebt haben nur Moos’Frau und die Tochter.

Heute lebt niemand der Familie mehr, es gibt keine Angehörigen – die Tochter blieb kinderlos –, auch keine Zeitzeugen, die Moos persönlich kannten. Mit den drei Stolpersteinen bekommen sie ein ewiges Gedenken.

Stolperstein-Verlegung für August Moos: Do, 11. Juli, gegen 11.15 Uhr, vor dem Haus in der Ferdinand-Wallbrecht-Straße 18, Hannover

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