Einfach mal einen Briefkasten anschreien

Gentrifizierungsprotest kann ungewöhnliche Formen annehmen: so bei einem Ausflug Berliner Initiativen am Samstag nach Zossen

Von Peter Nowak

„Was kann man sich Schöneres vorstellen, als das Berliner Umland an einem Samstagmittag aufzusuchen und in einer brandenburgischen Kleinstadt einen Briefkasten anzubrüllen?“, hieß es in einem Aufruf, mit dem Berliner MieterInneninitiativen und das Kneipenkollektiv Meuterei zu einer ungewöhnlichen Protestaktion am Wochenende aufgerufen hatten. In Zossen wollte man den zahlreichen Briefkastenfirmen einen Besuch abstatten, die sich in den letzten Jahren dort wegen der niedrigen Gewerbesteuer angesiedelt haben. Gerade mal die gesetzlich vorgeschriebenen 200 Prozent beträgt der Hebesatz, mit dem der Steuermessbetrag multipliziert wird. In Berlin sind es 410 Prozent.

Auf dem kurzen Weg vom Bahnhof zum Marktplatz begegneten den 100 Berliner MieterInnen zunächst wenige Menschen aus Zossen. Doch Briefkästen und Tafeln, auf denen Immobilienfirmen mit fantasievollen Namen zu lesen waren, fanden sich in der ganzen Stadt. An mehreren Häusern in der Baruther Straße sah man sogar Tafeln, die gleich bis zu 50 Firmen auswiesen. Manche bestehen nur aus Buchstabenkombinationen, andere aus den Straßennamen von Häusern, die von den Firmen verwaltet werden. Auf manchen Briefkästen sind mit Kreppband Namen von SteuerberaterInnen und RechtsanwältInnen angebracht.

„Wir haben euch was mitgebracht, Post, Post, Post!“, schrien die DemonstrantInnen die Briefkästen und Tafeln an. Mittlerweile hatten sich doch einige AnwohnerInnen der Kundgebung am Marktplatz genähert. „Schließen Sie endlich die Steuer­oase Zossen, Frau Schreiber!“, rief ein älterer Mann. Damit sprach er die Zossener Bürgermeisterin Michaela Schreiber direkt an, die mit ihrer parteiunabhängigen Liste Plan B seit Jahren im Amt ist.

Es gab mehrere Redebeiträge von Berliner MieterInnen, deren Hauseigentümer ihren Briefkasten in Zossen haben. Dazu gehört auch die Firma Nagel Properties, die in der Braunschweiger Straße 21 in Neukölln Luxusapartments errichten will. AnwohnerInnen hatten nach dem Abriss eines Supermarkts auf dem Grundstück einen Nachbarschaftsgarten errichtet, der in der vergangenen Woche geräumt wurde (die taz berichtete). Ein Mieter der ­Häuserzeile Habersaathstraße 40–48 in Berlin-Mitte klagte in einer engagierten Rede die Eigentümer mit Briefkasten in Zossen an, die 1984 gebauten und in den 1990er Jahren energetisch sanierten Häuser abreißen zu lassen, um weitere Luxusbauten zu errichten.