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„So lohnt sich wenigstens der CO2-Ausstoß!“

Der Tourismusforscher Edgar Kreilkamp hält Massentourismus nicht für das Hauptproblem

Foto: Kreilkamp

Edgar Kreilkamp, 69, lehrte bis 2018 Tourismusmanagement an der Leuphana Universität Lüneburg. Ganz besonders beschäftigt er sich mit nachhaltiger Tourismusentwicklung.

Interview Julika Kott

taz: Herr Kreilkamp, warum zerstören wir die Urlaubsorte, die wir lieben?

Edgar Kreilkamp: Wir versuchen, durch eine Reise aus unserem Alltag zu entfliehen. Dabei verdrängen wir, welche Schäden unser Verhalten verursacht. Das Problem liegt in Deutschland tatsächlich in der Menge der Reisenden. Wenn die Welt so reisen würde wie die Deutschen, wäre das sehr problematisch.

Was können wir verändern?

Es gibt eine Gruppe von Menschen – ich schätze mal sieben oder acht Prozent der Reisenden – die sich bewusst für nachhaltiges Reisen entscheidet. Für diese Gruppe steht wirklich die Nachhaltigkeit im Vordergrund, demzufolge handeln sie ganz bewusst, sie versuchen ihre Reisen möglichst umwelt- und sozialverträglich zu gestalten. Aber insgesamt sind das viel zu wenig Menschen.

Ist Backpacking besser als Massentourismus?

Nicht unbedingt. Da sie sich die Welt ansehen wollen, fliegen gerade Backpacker relativ weit und häufig. Damit ist das Hauptproblem schon gestellt: die An- und Abreise. Der individuell Verreisende ist nicht unbedingt nachhaltiger. Das hängt davon ab, wie er sich verhält, fremden Kulturen begegnet, ob er Rücksicht auf die Natur nimmt.

Wenn Backpacking keine Lösung ist, was dann?

Wir brauchen auch Massentourismus. Der Vorteil ist: Auf einer geringen Fläche sind möglichst viele Menschen untergebracht. Diese Aufenthaltsorte lassen sich durchaus auch nachhaltig gestalten, wenn sie über die richtige Technologie verfügen. Gerade große Hotelanlagen sind oft nachhaltiger. Die haben die finanziellen Mittel und nutzen Umwelttechnologien, da sie auch Kosten sparen.

Welchen Einfluss hat Instagram auf unsere Reiseziel-Entscheidung?

Einen sehr großen, besonders auf wenig touristische Orte auf der Welt. Schlagartig pilgern tausende Touristen dorthin.

Wie kann sich der Tourismus entwickeln, ohne die Mieten an den Urlaubsorten hochzutreiben?

Ganz schwer. Die Attraktivität erhöht enorm die Mietpreise. Das kann aber gesetzlich verhindert werden.

Wie?

Die Kommunen können Baugenehmigungen verhindern oder in sozialen Wohnungsbau investieren. Allgemein sollten auf der ganzen Welt Maßnahmen ergriffen werden, um die Massen zu regulieren. Ein Strand in Thailand, der als Drehort für einen populären US-amerikanischen Film diente, wurde gesperrt. Die Überbelastung und die Gefährdung durch den Tourismus waren zu hoch.

Solche Maßnahmen ergreifen aber nur die wenigsten Regierungen.

Sicher, die Länder und Städte profitieren erheblich vom Tourismus und wollen hauptsächlich ihre Profite maximieren. In Venedig bedeuten zum Beispiel Kreuzfahrtschiffe hohe Einnahmen für die Stadt: Reeder müssen bezahlen und Touristen kaufen ein.

Sowohl die Anzahl an Flügen als auch das Umweltbewusstsein sind gestiegen. Woher kommt dieser Paradox?

Es ist nicht unbedingt ein Widerspruch. Viele entscheiden sich, ihren Flug zu kompensieren und Klimaschutzprojekte zu unterstützen.

Für das gute Gewissen und um weiter viel fliegen zu können?

Nein, grundsätzlich sollte man Fliegen vermeiden. Kompensieren ist eine Alternative, es darf jedoch nicht als Rechtfertigung für exzessives Fliegen missbraucht werden.

Die Tourismusindustrie ist eine der erfolgreichsten Branchen des 21. Jahrhunderts…

Es ist eine riesengroße Wachstumsbranche – weltweit. Tourismus ist wichtig: Er schafft viele Arbeitsplätze und fördert zum Teil den lokalen Markt. In Deutschland ist die Tourismusbranche aber durchaus verkannt, denn sie besteht aus vielen kleinen Betrieben. Sie ist viel größer als die Autoindustrie. Trotzdem kennt unsere Bundeskanzlerin nur Autos.

Wie ist nachhaltiges Reisen möglich?

Länger verreisen! Keine Kurzzeittrips, keine Flüge in die Ferne für eine Woche. Dann lieber gleich einen Monat und dafür weniger oft. So lohnt sich wenigstens der CO2-Ausstoß und vielleicht nur alle zwei Jahre eine Flugreise.

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