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Christoph RaffeltMundwerkWas im Wein

Wahrscheinlich gehen bei keinem Getränk die Trinkvorlieben weiter auseinander als beim Wein. Kein Wunder, denn Wein gilt für die einen als Kulturgut mit jahrtausendealter Tradition, andere konsumieren ihn als ein Getränk unter vielen. Diejenigen, die edle Weine genießen und viel Geld für sie ausgeben, werden oftmals kritisch beäugt, beneidet oder belächelt. Jene, die sich im Discounter den Sechserkarton Industriewein besorgen, werden von vielen Wein-Nerds missbilligend betrachtet. Deren Verachtung steigert sich deutlich, wenn mit Wein ein Mixgetränk gemacht wird. Deren Konsum wird von puristischen Kennern gerne als Frevel gebrandmarkt.

Denen, die jetzt die Terrassen der Cafés bevölkern, dürfte das herzlich egal sein. Sie trinken ihren Hugo (Prosecco mit Holunderblüten- oder Zitronenmelisse-Sirup) oder den mit Farbstoff versehenen Aperol Spritz (Prosecco, Mineralwasser, Aperol/Cynar/Campari) in Mengen.

Kulturlos ist das mitnichten; denn Wein wurde schon immer mit verschiedenen Zutaten versetzt. In der Antike und im Mittelalter waren die Weine oft so minderwertig, dass man ihnen Aschenlauge, Flohkraut, Salz, Schwefel, Gips, Pinien- oder Pistazienharz, Pech und sogar zerstoßenen Marmor hinzufügte. Kalk gab man bei, um die Säure zu mildern. Unangenehmer Geruch wurde durch Zimt oder Terpentin getilgt. Mit Aloe ließ sich die Farbe verändern. Süß wurde Wein durch Honig oder Rosenblütenblätter, gern wurden auch Kräuter wie Oregano oder Thymian zugesetzt – dagegen wirkt ein Hugo harmlos.

Am weitesten verbreitet ist bis heute ein ganz einfacher Zusatz: Wasser, vor allem Mineralwasser. Dieses Getränk heißt bei uns „Weinschorle“, in Österreich „G’spritzter“. In Österreich ist dieses Getränk so fest in der Trinkkultur verankert, dass rund ein Fünftel der eigenen Weinproduktion als G’spritzer konsumiert wird.

Wer allerdings auf der Suche nach einem Klassiker unter den Weinmischgetränken ist, dem sei der Kir empfohlen. Dessen Name geht zurück auf den französischen Domherren, Politiker und Résistance-Kämpfer Félix-Adrien Kir. Er war von 1945 bis 1968 Oberbürgermeister der Stadt Dijon und zugleich Alterspräsident der französischen Nationalversammlung. Zu Empfängen hat er stets einen sogenannten „Blanc de Cassis“, eine Mischung aus neun Teilen Aligoté und einem Teil Cassis de Dijon angeboten, einem Likör von schwarzer Johannisbeere. Das Getränk wurde schnell populär und schließlich nach ihm benannt.

Mit Crème de Cassis und Wein von guter Qualität ist der würzige Kir auch heute noch ein wirklich besonderer Sommer-Aperitif. In der exklusiveren Form wird statt des Aligoté-Weins Champagner oder Crémant verwendet. Dann nennt man’s „Kir Royal“ – und es war zwischenzeitlich in der Münchener Schickeria das, was heute der Aperol Spritz für alle ist.

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