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Archiv-Artikel

DORIS AKRAP LEUCHTEN DER MENSCHHEIT Ein großartiger Demokrat

Wow!, hat der amerikanische Generalkonsul wohl gedacht, als er auf der Buchmesse den Verleger KD Wolff an seinem Stand besuchte. Peinlich berührt entschuldigte sich Ned Alford mehrfach bei dem Verleger, während dieser ihm die vergangenes Jahr in Wolffs Verlag Stroemfeld abgeschlossene historisch-kritische Hölderlin-Ausgabe zeigte. Wolff war kürzlich am New Yorker Flughafen die Einreise in die USA verweigert worden, weil sein zehn Jahre gültiges Visum bereits im Jahr 2003 widerrufen worden sei – ohne, dass Wolff davon etwas erfahren hätte.

„Man merkt, dass in Amerika noch mehr in Gang gekommen ist, als man sich am Anfang zu erträumen wagte; es ist doch ein großartiges demokratisches Land, das sollte man nicht vergessen, auch wenn man sich gleichzeitig über das ärgert, was die US-Regierung macht“, schrieb KD Wolff in dem Aufsatz „Zur Rolle des SDS und seiner internationalen Kontakte in den 1960er-Jahren“, soeben in dem kleinen Bändchen „Politische Protestbewegungen. Probleme und Perspektiven nach 1968“ im Offizin-Verlag erschienen. Den Text hatte er lange nach seiner Vorladung 1968 vor den Ausschuss für unamerikanische Aktivitäten in den USA geschrieben. Bereits damals hatte man ihm sein amerikanisches Visum ungültig gestempelt und mitgeteilt: „Sie kommen nie wieder in die USA!“ Aber Wolff würde und wird es wieder tun: in die USA reisen und das Land für eine großartige Demokratie halten. Denn er nimmt der neuen Regierung durchaus ab, dass sie die Altlasten der Vorgängerregierung ernsthaft angeht.

Beim ersten Mal wurde Wolff abgewiesen, weil er mit den späteren Gründern des Weather Underground zu tun hatte. Jetzt, weil er immer noch mit diesen Leuten zu tun hat, die inzwischen allerdings Professuren für Jura beziehungsweise Pädagogik an US-Universitäten haben.

Ist es denkbar, dass eine deutsche Universität einem ehemaligen RAF-Mitglied eine Professur überlässt. Demokratie hat etwas damit zu tun, miteinander im Gespräch zu bleiben und deshalb ist nicht nur die USA ein großartiges demokratisches Land, sondern auch KD Wolff ein großartiger Demokrat.

Die Autorin ist Kulturredakteurin der taz. Mehr zur Buchmesse auf www.buchmesse.taz.de