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Abwasserkosten im Visier

Seit 20 Jahren beklagt der Bremer Volkswirt Ernst Mönnich die hohen Abwassergebühren in Bremen – nun hat das Oberverwaltungsgericht eine Überprüfung beschlossen

Von Klaus Wolschner

Sind die Gewinne des bremischen Wasserversorgers Hansewasser ungebührlich hoch? Nein, findet die Bremer Umweltbehörde, die die Verträge gemacht hat. Ja, findet der emeritierte Volkswirt Ernst Mönnich, der seit Jahren versucht, in einem Klageverfahren die Überprüfung durchzusetzen. Nun hat er einen wichtigen „Teilerfolg“ errungen, wie er sagt: Das Bremische Oberverwaltungsgericht hat beschlossen, dass die unabhängige „Preisüberwachungsstelle“ beim Wirtschaftssenator die Höhe der Abwassergebühren überprüfen soll.

Mit Engelszungen hatte der Anwalt der Bremer Umweltbehörde versucht, dem Gericht das auszureden, aber die Präsidentin des Gerichtes, Ilsemarie Meyer, blieb bei ihrer Skepsis und erklärte, erst auf dieser Grundlage wolle sie entscheiden. Begründung: Die Einwände des Klägers Mönnich seien erheblich und bezögen sich nicht nur auf rechtliche, sondern auch betriebswirtschaftliche Aspekte. Das müssten Experten überprüfen. Die Preisüberwachungsstelle befasst sich sonst vor allem mit der Angemessenheit von Rüstungs- oder Raumfahrt-Aufträgen.

Die große Koalition unter Führung von Henning Scherf (SPD) hatte 1999 die Firma Hansewasser für 362 Millionen Euro verkauft, der Senat freute sich über den hohen Verkaufserlös. Für die Gebührenzahler indes war das, sagt Mönnich, „ein denkbar schlechtes Geschäft“. Nach einem Gutachten, auf das er gern verweist, zahlen die Bremer Haushalte seitdem mehr als zehn Millionen Euro zu viel – jedes Jahr.

Immer wieder hat Mönnich deswegen Gerichte mit der komplizierten Rechtsfrage befasst und eine Überprüfung verlangt. Zuletzt verweigerte das das Verwaltungsgericht im Jahr 2014 – ein Fehler, wie die Oberverwaltungsrichterin nun am vergangenen Mittwoch erklärte. Denn so habe „nach der Privatisierung eine Überprüfung der Abwassergebühren nicht mehr stattgefunden“. Die Überprüfung durch ein Gericht ist der einzig verbliebene Weg, nachdem das Umweltressort im Jahr 2008 in einem Vergleich mit Hansewasser darauf verzichtet hatte, die Angemessenheit der Gebühren selbst noch einmal zu kontrollieren – bis zum Ende der Vertragslaufzeit im Jahre 2028.

Ohne die Details dieses „Vergleich“ zu kennen, hat die Bürgerschaft die Erhöhung der Abwassergebühren zum ersten Februar 2017 um sechs Prozent beschlossen, „blind“, wie Mönnich kritisiert. Wenn er Erfolg hätte vor Gericht, dann könnte das Umweltressort wieder neu verhandeln. Eigentlich müsste es sich daher über seine Klage freuen, findet er. Im Gerichtssaal saßen die Anwälte des Ressorts allerdings auf der Gegenseite.

Rein rechtlich geht es vor dem Oberverwaltungsgericht derzeit nur um Mönnichs private Abwassergebühren und damit lediglich um eine überschaubare Summe von vielleicht 15 Euro im Jahr. Dass sich das Oberverwaltungsgericht mit diesem Streit so viel Arbeit macht, liegt aber natürlich daran, dass potenziell alle Bremer Haushalte betroffen wären und eine Normenkontrollklage im Hintergrund schwebt.

Laut einem Gutachten zahlen die BremerInnen jährlich mehr als zehn Millionen Euro zu viel fürs Abwasser

Denn wenn der Einzelkläger Recht bekäme, würde dem Umweltressort offiziell höchstrichterlich bescheinigt, dass es 1998 schlecht verhandelt hat und auch seitdem nicht die Interessen der GebührenzahlerInnen vertritt. Dafür lägen die Argumente, so der Kläger Mönnich, auf der Hand: Während in monopolisierten Märkten – jeder Bremer Haushalt ist verpflichtet, sein Abwasser über die Hansewasser zu entsorgen – nach vergleichbarer Rechtsprechung zwei Prozent Umsatzrendite als angemessen gälten, führe Hansewasser an seine Gesellschafter ein Vielfaches ab.

Zur Rechtfertigung verweist Hansewasser wiederum auf die hohen Vermögenswerte der Infrastruktur, also Kanalnetz und Kläranlage. In den Büchern stehen rund 350 Millionen Euro dafür. Die Zinsen dafür werden in die Abwassergebühren eingerechnet – Hansewasser setzt rechnerisch einen Zinssatz von 6,5 Prozent an. Tatsächlich muss Hansewasser aber seit mindestens zehn Jahren höchstens drei Prozent zahlen. Der Vorteil für den günstigen Zinssatz erhöht zusätzlich die Gewinne. Hansewasser bedankte sich dafür: mit großzügigen Spenden an das defizitäre Botanika-Projekt der Umweltbehörde.

In Rostock und 28 Umlandgemeinden wurde die Wasserversorgung übrigens zum 1. Juli 2018 rekommunalisiert – nach 25 Jahren. Die Preise sanken daraufhin um 24 Prozent für Trinkwasser und um 14 Prozent für Abwasser.

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