: Ein Urgestein und der Doppelspitzen-Abschied
taz geht wählen – die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Portrait. Wer kämpft um das Mandat? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Bielefeld
Bielefeld?
Auch wenn vor Jahren alle Autobahnabfahrten in die ostwestfälische Stadt gesperrt gewesen sein sollen – Bielefeld existiert! 240.000 WählerInnen sind im Wahlkreis 133, zu dem neben der Stadt auch noch die Gemeinde Werther gehört, stimmberechtigt. „Traditionsfirmen von Weltruf“ sind laut Stadt-Homepage in Bielefeld ansässig – das Logo von Oetker ist schon bei der Einfahrt mit dem Zug zu bewundern. Für angehende Akademiker wird auch etwas geboten: eine Uni, die gebaut wurde, als graue Betonplatten und Marx-Lesekreise modern waren. Auch sonst ist die Stadt bisher rot, auch wenn der Bürgermeister mittlerweile von der CDU gestellt wird.
Wer verteidigt den Wahlkreis?
SPDler Rainer Wend. Der 51-Jährige sitzt seit 1998 im Bundestag und holte bei der Wahl 2002 fast 50 Prozent. Anwalt Wend ist in der Bundestagsfraktion ein hohes Tier: als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses und wirtschaftspolitischer Fraktionssprecher darf er sich fast zur SPD-Führungsriege zählen. Umso wichtiger, dass der Anhänger der Agenda 2010, Supporter des „Seeheimer Kreises“ sowie Arminia-Bielefeld-Fan wieder den Wahlkreis gewinnt. In der NRW-SPD ist man so siegesgewiss, dass Wend nicht einmal über die Landesliste abgesichert wurde.
Wer will den Wahlkreis?
Lena Strothmann. 2002 noch relativ unbekannt, scheiterte die 53-jährige Damenschneidermeisterin mit nur 36 Prozent der Stimmen in der SPD-Bastion. Auch über die Landesliste schaffte sie es nicht auf den Bundestagssessel. Erst Monate später gab es für die Präsidentin der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe das Happy End: Im Juli 2003 rückte sie durch den Verzicht eines Abgeordneten in den Bundestag nach. Als Frischling tritt sie aber nicht nur dort bisher wenig in Erscheinung, auch im Wahlkreis ist ihr Bekanntheitsgrad entschieden niedriger als Wends: Selbst Lokaljournalisten zucken bei der Frage nach Strothmanns politischen Positionen mit den Schultern.
Die großen Außenseiter?
Völlig chancenlos ist Doktor Bodo Ungerechts, der für die FDP antritt. Der Biomechaniker hat über Schwimmtechniken publiziert und plant Wahlkampfaktionen in Freibädern. Für die Linkspartei zieht Brigitte Stelze, Leiterin einer Bielefelder ver.di Bildungsstätte in den Kampf. Prominenteste Kleinparteikandidatin ist sicherlich die grüne Landeschefin Britta Haßelmann: Als Listendritter ist der Sozialarbeiterin der Einzug in den Bundestag sicher und damit auch ein fröhlicher Abschied von der Landesbühne: Weil ihr Co-Landesvorsitzender Frithjof Schmitt schon EU-Parlamentarier ist, eine Dauerpendelei zwischen Brüssel, Berlin und Düsseldorf die grüne Doppelspitze eher abschleifen wird, muss die Landespartei eine Alternative zum bisherigen Spitzenduett suchen.
taz-Prognose
Rainer Wend sagt, er sei „ausreichend selbstbewusst“, seinen Wahlkreis wieder zu gewinnen. Wir sind es auch: Wend schlägt Strothmann. MAREN MEIßNER