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Naturland schlägt Regeln für Bio-Insektenzucht vor

Der Bioverband beschließt die erste Richtlinie für die Öko-Zucht der ressourcenschonenden Proteinquelle

Von Julia Springmann

Als erster Bioverband hat Naturland eine Richtlinie für die ökologische Insektenzucht verabschiedet. Sie soll Vorbild für eine EU-Verordnung soll. „Wir hoffen, dass Brüssel bald nachzieht“, sagte Naturland-Sprecher Markus Fadl der taz. Ohne eine gesetzliche Regelung dürfen Fische aus Bio-Insektenmast nicht mit dem Öko-Siegel der Europäischen Union verkauft werden.

Konventionelle TierhalterInnen dürfen in der EU seit Juli 2017 verarbeitetes Insektenprotein an Aquakulturen wie Fische verfüttern. Es ersetzt Futtermittel aus Soja, Fischmehl und -öl, die unter hohem Ressourcenaufwand gewonnen werden. Verordnungsentwürfe, die die Fütterung von Aquakulturen mit Produkten aus Bio-Insekten zulassen, wurden allerdings von der EU-Kommission zurückgezogen.

Internationale und deutsche Betriebe hätten bereits großes Interesse an einer einheitlichen Bio-Richtlinie zur Insektenzucht angemeldet, berichtete Fadl. Hintergrund ist auch, dass es Bio-Betrieben nur noch bis Ende 2020 erlaubt ist, 5 Prozent des Geflügel- und Schweinefutters durch nicht ökologisch produzierte Mittel zu ersetzen. Bis dahin müssen also Alternativen her.

Die Welternährungsorganisation FAO geht davon aus, dass Insekten immer wichtiger für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung werden. Sie könnten nicht nur gegessen, sondern auch an Nutztiere verfüttert werden. „Am naheliegendsten ist für uns momentan der Einsatz im Futterbereich“, sagte auch Naturland-Sprecher Fadl. In Zukunft soll zunächst die Bio-Fischzucht mit aus Insekten hergestelltem Öko-Futter möglich sein.

Die Naturland-Richtlinie definiert grundlegende Haltungsbedingungen für sieben Arten von Käfern, Fliegen und Heuschrecken. Sie verbietet, die Tiere zu verstümmeln, etwa durch Beschneiden von Flügeln oder Entfernen von Sprungbeinen. Die Insekten sollen in erster Linie mit ökologisch-pflanzlichen Nebenprodukten und Reststoffen aus der Lebensmittel-Verarbeitung gefüttert werden. Produkte, die in direkter Konkurrenz zur menschlichen oder tierischen Ernährung stehen, sind zu vermeiden. Auch die Tötung der Tiere wird geregelt. Sie muss so schonend und schnell wie möglich erfolgen – mittels Temperaturschock direkt im Aufzuchtbetrieb. Methoden wie das langsame Austrocknen der Insekten an der Sonne erlaubt Naturland nicht.

Der Hauptgrund für den Einsatz von Insekten in der Lebensmittelindustrie ist der geringere Ressourcenaufwand bei der Herstellung. „Insekten können sehr effizient pflanzliches Eiweiß in tierisches Eiweiß umsetzen“, sagte Rainer Benning, Professor für Lebensmitteltechnologie an der Hochschule Bremerhaven, der taz. Um das üblicherweise als Futter eingesetzte Sojamehl herzustellen, würde viel Wasser benötigt und große Flächen an Regenwald müssten abgeholzt werden. Und für die Produktion von Fischöl oder -mehl angelegte Aquafarmen bedrohten die Artenvielfalt und den Lebensraum Ozean maßgeblich.

In einem Forschungsprojekt der Hochschule Bremerhaven zur Verwendung von Insekten als alternative Proteinquelle für Futtermittel stellten WissenschaftlerInnen fest, dass die Nährstoffqualität des Insektenproteins genauso hoch ist wie die von Sojaprotein. Es hänge also eher von den Rahmenbedingungen ab, ob die Landwirtschaft in die Insektenmast investiert, sagte Lebensmitteltechnologe Benning. „Da ist es von Vorteil, wenn Tierfutter auf Insektenbasis etwa auch für Rinder erlaubt ist.“ Die Zuständigkeit dafür liegt bei der EU.

Als Nahrungsmittel für Menschen sind Insekten seit 2018 zugelassen. Sie stoßen aber bislang auf wenig Begeisterung der KonsumentInnen.

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