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Singen ist schwer

Saisonfinale: Die Staatsoper produziert Verdi für die Metropolitan Opera in New York, die Komische Oper geht mit einer Fußballoperette in die Nachspielzeit

Von Niklaus Hablützel

Das Wort „Regietheater“ lässt sich nur schwer in andere Sprachen übersetzen. Es bezeichnet eine als typisch deutsch geltende Praxis von Bühnenkunst, in der eine eher technische Funktion plötzlich zur Hauptsache wird. Wir möchten eigentlich Menschen auf der Bühne sehen, die Stücke so aufführen, dass sie uns etwas sagen, anrühren und vielleicht begeistern. Dass dafür Anleitungen nötig sind, mag sein, auf der Bühne sehen möchte man sie jedoch nicht.

Das Wort hat deshalb vor allem in der Oper einen schlechten Ruf, und die Staatsoper arbeitet jetzt lieber mit der New Yorker „Metropolitan Opera“ zusammen, wo schon die Idee, dass die großen Opern der Vergangenheit inszeniert werden müssen, Stirnrunzeln auslöst. Sie müssen gesungen und natürlich auch gespielt werden. Nur Dirigenten (fast immer männlich), Sänger und Sängerinnen sind die Stars der „Met“, wie sie mit liebevollem Respekt genannt wird. Was das heißt, war am Sonntagabend auch Unter den Linden in Berlin zu erleben.

Es ist großartig und überwältigend, wenn man bereit ist, das Regietheater zu vergessen. Ja doch, es gibt einen US-Regisseur. Er heißt Bartlet Sher und macht seinen Job gut, oft an der Met, und weil die nun mit der Staatsoper zusammen einen neuen „Rigoletto“ von Verdi produzieren wollte, verlegte er den Schauplatz vom fiktiven Mantua der Renaissance ins Berlin der 1920er Jahre. Das ist für Amerikaner nun mal das beste Deutschland, das es je gab, und eine wunderbar europäisch dekadente Gesellschaft obendrein. Der Vorhang zeigt ein Gemälde von Grosz, die Kulissen protzen nazimäßig auf, Mann trägt Uniform und steht stramm. Gemeint war in Victor Hugos Vorlage „Le roi s’amuse“ eigentlich Paris um 1830, aber das ist vollkommen belanglos für das Spiel auf der Bühne, das kein Theater ist, sondern das Arrangement von singenden Personen im Raum.

Nur auf die Stimmen kommt es an und beginnt furchterregend gewaltig mit dem Tenor Michael Fabiano, gerade weltweit als Star seines Fachs gehandelt. Er gibt dem Herzog von Mantua die Härte von geschliffenem Edelstahl. Das klingt ohrenbetäubend, weil die enorme Kraft fühlbar ist, mit der dieser Mann seine Stimme in die Extreme zwingt. Am Ende allerdings musste er sich Buhrufe anhören, denn wahr ist auch, dass die Anstrengung manchmal auf Kosten der Intonation geht. Das ist nicht mehr schön und passt auch nicht so recht zu diesem Herzog, der ja kein Krieger ist, sondern ein schmieriger Sexualneurotiker, der sich in seiner großen Soloarie auch mal Gefühle leistet.

Nadine Sierra singt die Gilda, in die er sich temporär verliebt hat, die Tochter des Hofnarren Rigoletto. Sie ist die eigentlich tragische Hauptfigur, eingesperrt im Kerker ihres Vaters und zerbrochen an ihrer Liebessehnsucht. Sierra leiht ihr ihre klare, glockenreine Stimme, aber auch ihr fällt es schwer, die Rolle zu füllen. In ihrer allerdings auch monströs schwierigen, großen Soloarie tastet sie sich nur heran, unsicher und befangen von der enormen Aufgabe, die sie dann aber in einer Art und Weise bewältigt, die man nur staunend bewundern kann. Singen ist schwer, und dass jemand es so gut kann, ist ein Wunder.

Anstrengung geht manchmal auf Kosten der Intonation

Verdis „Rigoletto“ besteht bekanntlich fast nur aus Duetten und Ensemblenummern, in denen Sierra zunehmend sicherer und selbstbewusster wird, gestützt auf den Briten Christopher Maltman. Sein Rigoletto ist von Anfang bis Ende ein einziges Fest des Gesangs; beweglich artikulierend und reich an ausdrucksvollen Färbungen seines Baritons entsteht die fesselnde Figur eines schrecklichen, düsteren Mannes. Seine Tochter muss ihm sein misslungenes Leben ersetzen.

Im Quartett des dritten Aktes hat Verdi diese Katastrophe zum bösen Kammerspiel verdichtet. Die ziemlich sinnlosen Dekorationen der Bühne stören jetzt nicht mehr, die ganze Wucht dieser dramatischen wie musikalischen Konzentration liegt nur in den Stimmen, die nun die ganze Seele erschüttern. Rigoletto ist ein furchtbares Stück über eine Grausamkeit, zu der nur Menschen fähig sind. Das ist der ganze Verdi in Lebensgröße. Die Met kann sich freuen, wo diese Version nächstes Jahr gezeigt wird.

Für Berlin nachzutragen bleibt indessen, dass auch die Komische Oper ein Saisonfinale aufs Programm gesetzt hat. Dass Singen schwer ist, weiß man auch dort und macht aus der Not gerne die Tugend des Regietheaters. Mit eindrucksvollen Ergebnissen bekanntlich. Dass aber die Geschwister Pfister weder singen noch Theater spielen können, müsste sich inzwischen herumgesprochen haben. Die Schweizer Truppe hat vor Jahren mit einer Parodie auf Benatzkys „Im weißen Rössl“ Aufsehen erregt, weil wir linken Bürger Operetten nur aus dem Radio-Wunschkonzert der Eltern kannten. Dort gehören sie nicht hin, haben wir inzwischen von Barrie Kosky gelernt, aber die Pfisters haben die Schule geschwänzt und misshandeln nun „Roxy und ihr Wunderteam“ von Paul Abraham. Die Grundidee des 1937 uraufgeführten Stücks war, dass eine geflohene Braut und ein Mädchenpensionat die ungarische Fußball-Nationalmannschaft auf Trab bringen. Übrig geblieben ist davon die unterste Schublade müder Witze und Zoten, vorgetragen von trampelnden Buben und Gören ohne jeden Charme und Witz. Der grauenhafte Kick dauert volle drei Stunden. Video­beweis bitte!

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