: Achterbahn an der Pader
Der SC Paderborn, der fast einmal in die vierte Liga abgestiegen wäre, spielt in der kommenden Saison in der ersten Fußball-Bundesliga
Aus Paderborn Andreas Morbach
Der Himmel über Ostwestfalen war in tiefes Dunkelblau getaucht, als am Flughafen Paderborn/Lippstadt die ersten Jubelfotos geschossen wurden. Knapp fünf Stunden lag der zweite Bundesliga-Aufstieg des SC Paderborn, vollzogen im Stadion von Dynamo Dresden, zurück. Nun waren die erfolgreichen Kicker schon wieder zurück auf heimatlicher Erde, posierten direkt vor ihrem Flieger mit den Fans. Und das letzte Licht der untergegangenen Sonne gab der Szenerie einen warmen frühlingshaften Rahmen.
Nach dem eigenen 1:3 in Dresden mussten die Mannschaft um Trainer Steffen Baumgart noch zwei nervenaufreibende Minuten hinter sich bringen – ein einziger Treffer mehr von Union Berlin (2:2 in Bochum) hätte Paderborn anstelle der Köpenicker in die Relegation gegen den VfB Stuttgart befördert. Schiedsrichter Sven Jablonski raunte SCP-Goalgetter Philipp Klement in den Katakomben der Dynamo-Arena gar zu, Union habe in Bochum das 3:2 erzielt. „Ich habe mich mental schon auf die Relegation vorbereitet“, erzählte Klement. „Aber als ich die anderen gesehen habe, wusste ich auch, was los war.“
So stürmte Chefcoach Baumgart, der nach Abpfiff in die Kabine geflüchtet war, in möglichem Höchsttempo an ihm vorbei Richtung Gästeblock. „Jetzt zieht es überall“, gestand der 47-Jährige später auf der Pressekonferenz, wo er sich auch für seine etwas wirren Ausführungen entschuldigte: „Das liegt nicht daran, dass ich getrunken habe. Sondern daran, dass ich das alles noch nicht realisiert habe.“
Fast auf den Tag genau zwei Jahre war es da her, dass aufgeregte Fans vor dem Paderborner Rathaus auf einem Transparent demonstrierten: „Lasst den SCP nicht untergehen!“ An derselben Stelle wurde am frühen Montagabend nun wieder gefeiert – in Ermangelung eines Rathausbalkons auf einer Bühne. Und schon für den Abend zuvor hatte die örtliche Polizei, ganz dem Klischee des bodenständigen, durch und durch vernünftigen Paderborner Menschenschlags entsprechend, darauf hingewiesen, man werde im Falle spontaner Autokorsos selbstverständlich auf die Einhaltung der Promillegrenze und die Anschnallpflicht achten.“
Ein belastbarer Gurt ist in der 150.000-Einwohner-Stadt an der Pader allerdings auch unerlässlich: Von ganz oben – im September 2014 reiste Paderborn mal als Bundesliga-Spitzenreiter zu den Bayern – bis sehr weit unten war in den letzten fünf Jahren alles dabei. Und der bittere Gang in die Regionalliga blieb dem sportlich abgestiegenen Klub im Mai 2017 nur erspart, weil 1860 München keine Lizenz für die dritte Liga erhielt.
„Wir hatten damals ein doppelt blaues Auge mit Kieferbruch“, zeichnet Markus Krösche, für den der Tag des ersten Aufstiegs zugleich das letzte Spiel seiner aktiven Laufbahn war, ein sehr anschauliches Bild vom damaligen Zustand des SCP. Zwei Monate zuvor hatte Wilfried Finke, der im Januar verstorbene langjährige Präsident des Klubs, Krösche als Geschäftsführer Sport nach Paderborn zurückgeholt. Einen Monat später engagierte Krösche den früheren Bundesligastürmer Baumgart als Chefcoach. Und dank des Glücksfalls mit 1860 konnte die ostwestfälische Achterbahn mit diesem Führungs-Duo wieder Kurs nach oben nehmen.
Krösche und Baumgart verband die Vorstellung von einem mutigen, dominanten Offensivfußball. Entsprechend bauten sie den Kader radikal um, holten 15 neue Profis und drei Junioren. Ein Projekt mit durchschlagendem Erfolg: Durch die dritte Liga rauschten die Paderborner mit 90 Treffern ein Stockwerk weiter nach oben, ihren direkten Durchmarsch in die Bundesliga befeuerten sie nun mit 76 Toren – und dem bescheidenen Etat von 6,5 Millionen Euro.
„Unser Weg ist Wahnsinn, ich bin unglaublich stolz“, strahlte Sportchef Krösche in Dresden und betonte: „Dieses extrem junge Team hat Jungs im Kader, die vor zwei Jahren noch in der Regionalliga gespielt haben. Deshalb ist dieser Aufstieg eine noch größere Sensation als der von 2014.“ Wobei der 38-Jährige selbst, 2007 in Paderborns Jahrhundertelf gewählt, demnächst wohl noch ein Stück weiter oben weitermacht – als neuer Sportkoordinator von Champions-League-Teilnehmer Leipzig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen