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Eurovision SongContest

Samstag Abend, 21 Uhr, aus Tel Aviv, 64. Eurovision Song Contest,in der ARD

Die Kandidaten-Hitparade aus Tel Aviv von Jan Feddersen

Michela

– Chameleon

So ist dieser Auftakt des Grand Final beim 64. ESC in Tel Aviv: moderat. Ein bisschen flott, ein wenig unergründlich, gewiss auch zur Zufriedenheit ihrer Sympathisant*innen: tanzbar und harmlos.

Top 16.

Jonida Maliqi – Ktheju tokës

Dramatischer Look in Folkloreanmutung, mächtige Stimme – und sie nutzt die für sie installierte Windmaschine bis ins letzte Püsterchen. Verblüffender Authentizitätsqualm. Top 23.

Lake Malawi

– Friend Of A Friend

Der gelbste Sweater ever auf der Bühne, noch gelber als die Textilien von Bucks Fizz 1981. Frohsinniges Lied aus dem Land der Knödel, von Biene Maja, Karel Gott und Kafka. Das Lächeln eins a erfrischend.Top 21.

S!sters – Sister

Das Lied zur #metoo-Debatte, der kürzlich füreinander gecasteten Sängerinnen (Laurita Kästel, Carlotta Truman). Message: Frauen, disst euch nicht nieder. Suggestiv im Sound, verständlich für alle. Top 13.

Sergey Lazarev –Scream

Sein zweiter, indes verheulterer ESC-Versuch. Dritter beim ESC 2016, neuerlich mit den Hoffnungen der Nation am Start. Der Sänger wirkt männlicher denn je, ob aber dies ihm nützt? Leider fehlt’s dem Act an Substanz.

Top 7.

Leonara – Love Is Forever

„Lemon Tree“ reloaded – ein wenig. Niedlichkeitspropaganda vom Kattegat, die diese Sauberfrau mit ihren Mul­ti­kulti­­chorist*innen sehr einnehmend zelebriert. Hier lebt das alte Motto „Keep it simple, keep it good“. Top 9.

Serhat – Say Na Na Na

Der beste Europäer, der nie in Las Vegas auftrat. Der türkischstämmige Crooner hat es verdient, beim zweiten ESC-Anlauf nach den Sternen zu greifen. Das Lied trägt Ohrwurmgift in sich. Top 5.

Tamara Todevska

– Proud

Ihr Erfolg: dass sie überhaupt im Grand Final dabei ist. Fulminantes Bekenntnis – die (!) Identitätsformel im modernen Europa – zum Stolz auf sich selbst. Eine Sucherin also, die unsere Liebe sucht. Markant.

Top 20.

John Lundvik – Too Late For Love

Er, der Exleichtathlet und Sohn småländischer Wälder, serviert die schwulste (Achtung: Ironie!) Performance. Eine Mogel­packung, er ist Hetero. Toller Gospel, super Chor.

Top 2!

Zala Kralj & Gašper Šantl

– Sebi

Schöner ist keine sehr feine Liebesgeschichte auf der Bühne arrangiert worden: Zala wird keine hochgetuffte Frise tragen, sie wie ihr Partner bevorzugen Elektrosmog-Atmosphäre im Neuneuköllnstil. Top 12.

Tamta –Replay

Die Dame versucht, ihre Vorjahreskollegin zu kopieren, und die wurde Zweite, deshalb der Liedtitel. Leider haben diese drei Minuten viel von Ach-Gott-das-ist-ja-schon-wieder-so-’n-Lied. Auch ihre buhlende Mimik bleibt vage. Top 14.

Duncan Laurence –Arcade

Der Udo Jürgens unserer Tage – fett auf den Spuren des ESC-Siegers von 1966, allein hinter dem Flügel sitzend, schmachtend. So auch der Holländer. Er ist zu Recht heißester Favorit des Abends. Top!

Katerine Duska

– Better Love

Endlich mal ein hellenisches Lied, das nicht wie Bouzouki aus der Tavernenschamott-Traditionsküche klingt. Flott arrangiert – wobei die Sängerin in einem Laura-Ashley-haften Blumenornament herumgeistert. Top 10.

Kobi Marimi – Home

Der Mann, der wie eine schwule Variante von Borat aussieht, meint mit seinem Titel die Heimat, die er in sich gefunden habe. Narrationell vom gleichen Gusto wie Nettas Siegestitel „Toy“, aber in schwülstig. Top 24.

KeiiNO –Spirit In The Sky

Das Trio, das gewiss alle Festzeltkurator*innen buchen wollen. Krassester Mitklatschpop des Abends, gar nicht mal doof. Was ist bloß aus dem Land geworden, das uns sonst meist düstere Fjordkultur geschenkt hat?

Top 9.

Michael Rice

– Bigger Than Us

Er weckt Beschützerinstinkte, er ist ein Kevin Keegan in etwas moppeliger, er wirkt wie ein Buddy next door. Er hält einen Gospel parat und die pyromanischsten drei Minuten des Abends. Überheizt! Top 16.

Hatari – Hatrið mun sigra

Sie wollen Dystopie, sie sehen aus wie jene, mit denen man nicht in Ruhe Doppelkopf spielen will, ihr Lied ist posttrash-metallisch, sie planen, den Kapitalismus abzuschaffen: schön irre. Top 4.

Victor Crone – Storm

Warum er ins Finale kam? Weil er mit seinem Allerweltslied im Singer-Songwriter-Style am Ende so ­erleichtert schnaufte. Das belohnt das Publikum immer: einer wie wir, erleichtert nach vollbrachter Aufgabe.

Top 25.

Zena – Like It

Latexästhetik mit einer 16-Jährigen, die den Schock verarbeiten muss, unerwartet im Finale gelandet zu sein. Sie ist die Hoffnung vieler junger und sehr junger Frauen, die es ebenfalls weit bringen möchten im Showbusiness.

Top 25.

Chingiz – Truth

Kompakter Vortrag des Mannes, den viele Cis-Queers gern auf dem nächsten Homobikertreffen sehen möchten, sehr viril in den Allüren, sein Habitus kernig. Nur sein KI-Fuhrpark on stage irritiert: Technik ist nicht alles! Top 11.

Bilal Hassani – Roi

König*in des Abends – hat die Vorentscheidung in seinem Land haushoch gewonnen und betört als schwuler Mann mit einem Look, der an eine perückierte Vorstandssekretärin erinnert. Ergreifend! Top 7.

Mahmood

– Soldi

Innenminister Matteo Salvini warf dem ernsthaften jungen Mailänder fiese Worte auf dem Weg nach Tel Aviv zu. Energetisch astreiner SoftHipHopPop. Botschaft: Die Würde der Menschen ist unantastbar. Top 4.

Nevena Božović –Kruna

Die eleganteste Balkanfrau des Abends, ganz klassischer Stil mit inszenierter Beinzeigerei, High Heels und welligem Haarlook. Schwermütig ihre Performance, prima superjugoslawisch, und das mit kehlig-dunklen Vokalisen.

Top 19.

Luca Hänni – She Got Me

Ein junger Mann aus Bern, der zirzensisch agieren kann, allem Gesang zum Trotz. Wendige Nummer, die so gar nicht an die klassische eidgenössische Euro­visionstranigkeit gemahnt. Hübsch, diese Dirty-Dancing-Behauptung! Top 4.

Kate Miller-Heidke

– Zero Gravity

Opernesk talentierte Sängerin, die die Königin der Nacht von Down Under gibt und auf der Bühne eine Art Cirque du Soleil an wehenden Stangen zelebriert. Schwerkraftarm. Bizarr.

Top 9.

Miki – La Venda

Obertouriges Lied aus dem Land, das uns 68 und 69 Siegerinnen wie Massiel und Salomé geschenkt hat. Der junge Mann weiß die honorige Tradition aus der Ära Francos gewiss nicht zu beerben: Na und? Er ist trotzdem ein ganz Lieber. Top 22.

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