die woche in berlin
: die woche in berlin

Ein Wohngeldbescheid in Lichtenberg sorgt für große Aufregung, nach den Linken sprechen sich nun auch die Grünen für das Enteignungs-Volksbegehren aus, und ob Hertha BSC tatsächlich mal in Tegel eine Heimat findet, ist ungewiss – entschieden aber hat man bei dem Bundesligisten, dass in der nächsten Saison mit Ante Čović als neuem Trainer im Olympiastadion gekickt wird

Eine ganz eigenartige Logik

Wohngeld und Tafel-Essen im seltsamen Zusammenhang

Der Aufreger der Woche kommt aus Lichtenberg: Das dortige Bezirksamt kürzt einem Studenten das Wohngeld, weil er Sachmittel von der Berliner Tafel bekommt! Von diesem Skandal berichteten Medien landauf, landab, auch die taz ist empört. Der Berliner Kurier etwa titelte: „Amtsirrsinn von Lichtenberg: Wer bei der Tafel isst, bekommt weniger Wohngeld“.

Dass die Aufregung so groß ist, liegt an der offenkundigen Ungerechtigkeit, die wohl jedermann und -frau sofort ins Auge springt: Denn wie kann es sein, dass eine Sozialleistung, auf die man einen gesetzlichen Anspruch hat, dadurch geschmälert wird, dass man eine Wohltätigkeit annimmt? Also eine freiwillige Hilfe, ehrenamtlich angeboten?

Wenn diese Logik Schule macht, wird man demnächst wohl von Amts wegen sogar aufgefordert, sich Essensspenden zu holen, zur Altkleidersammlung zu gehen – damit der Staat die „Stütze“ kürzen kann?

Besonders entsetzt war die Berliner Tafel, die den Fall am Montag öffentlich gemacht hat. Denn natürlich scheint das Beispiel jenen Kritikern recht zu geben, die schon immer gesagt haben, durch die Tafeln kann sich der Sozialstaat aus der Verantwortung stehlen.

Die Organisation pocht dagegen von jeher auf ihrem Selbstverständnis, dass man eine zusätzliche, freiwillige Leistung erbringt – und eben kein Ersatz für staatliche Sozialleistungen ist. „Das können wir auch gar nicht“, sagte die Berliner-Tafel-Vorsitzende, Sabine Werth, am Freitag der taz. Man könne die Menge an Spenden nicht kalkulieren und auch nicht, wie viele Bedürftige kommen. Eine Vollverpflegung über den ganzen Monat im Wert von 241 Euro, wie sie das Lichtenberger Amt für den Studenten als Einnahme berechnete, könne man schon gar nicht leisten.

Entsetzt zeigten sich auch Lichtenbergs Bürgermeister Michael Grunst und Sozialstadträtin Katrin Framke – beide ausgerechnet Linke – und versprachen eine rechtliche Prüfung.

Dann am Donnerstag die Wende in dem Fall: Wie Framke der taz erklärte, hätte die Anrechnung der Tafel-Spenden gar nicht zu einer Kürzung des Wohngelds geführt. Im Gegenteil: Sein Einkommen wurde mit den Sachspenden hochgerechnet, damit er überhaupt anspruchsberechtigt war. Ohne sie hätte der Student nämlich gar nichts bekommen, denn dann wäre sein Einkommen zu niedrig gewesen für Wohngeld! Tatsächlich gibt es diese Merkwürdigkeit im Wohngeldgesetz, dass man nicht nur unter einem Höchstsatz liegen muss, um wohngeldberechtigt zu sein – man muss auch über einem Mindestsatz liegen.

Ob die Geschichte so stimmt, wird sich noch zeigen: Das Rechtsgutachten des Bezirks soll demnächst erscheinen. Auch dann bleibt es fragwürdig, freiwillige Spenden als barwerte Einnahme zu berechnen. Aber es wäre immerhin gut gemeint. Susanne Memarnia

Das Drohen droht mit Kosten

Auch die Grünen unterstützen Enteignungs-Volksbegehren

Die junge Grüne am Rednerpult war voll und ganz im Duktus der Klimadebatte, bei der man es ja auch nicht hinnehmen will, dass die Alten den Jungen die Zukunft nehmen. Deshalb müsse man jetzt für Wohnungen sorgen, damit die nächste Generation nicht ohne da stehe. Generationengerechtigkeit also.

Klingt gut. Passte bloß nicht zur Entscheidung beim Grünen-Parteitag am Mittwochabend, das laufende Enteignungs-Volksbegehren zu unterstützen. Dieser Beschluss nimmt nämlich Kosten von bis zu 36 Milliarden Euro und möglicherweise noch mehr in Kauf, die durchaus die nächste Generation belasten würden und vielleicht auch noch die übernächste. So viel würde es nämlich nach Berechnungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kosten, wenn das Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen Erfolg hat.

Die Grünen geben gern zu verstehen, dass sie eigentlich gar keinen Volksentscheid samt Enteignung wollen, sondern nur eine Drohkulisse, um Wohnungsunternehmen zu sozialerer Denkweise zu bringen. Deshalb soll es ja Gespräche mit den Initiatoren und einen runden Tisch mit allen Beteiligten geben.

Doch was ist, wenn das nicht so klappt? Wenn sich die Volksbegehrer nicht auf das Anliegen der Grünen einlassen, ihren Vorstoß deutlich umzumodeln, sodass er nicht mehr pauschal auf alle Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen zielt, egal ob die nun gut oder schlecht beleumundet sind? Was, wenn der Volksentscheid kommt, den die Grünen mit ihrer Entscheidung vom Mittwochabend befeuert haben?

Das mit den 36 Milliarden sei ja viel zu hoch gerechnet, außerdem würden Banken doch Kredite geben, ist auf solche Bedenken hin von führenden Grünen zu hören. Warum aber sollte ausgerechnet eine von der Linkspartei – die schon seit Dezember das Volksbegehren unterstützt – geführte Senatsverwaltung überhöhte Zahlen veröffentlichen? Und die Kredite – kosten die keine Zinsen und zwar mittelfristig nicht anderthalb Prozent wie aktuell, sondern doppelt und dreimal so viel? Bei einem nicht illusorischen Zinssatz von 5 Prozent wären das fast 2 Milliarden Euro jährlich – zusätzlich zur Zinszahlung für die ja nicht verschwundenen sonstigen Schulden des Landes von rund 57 Milliarden Euro. Da bleibt nicht mehr viel Platz im Landeshaushalt.

Das muss alles nicht kommen: Die Initiative könnte das Volksbegehren tatsächlich stoppen, die Vermieter können sich verhandlungsbereit zeigen, und letztlich könnte es auch sein, dass ein Volksentscheid gar keine Mehrheit bekommt. Aber allein die Möglichkeit, dass es alles nicht so läuft, wie sich die Grünen das vorstellen, birgt ein großes Risiko – eines, das mit Generationengerechtigkeit wirklich nicht vereinbar ist. Stefan Alberti

Eine Lösung mit klein wenig Pep

Ante Čović wird neuer Trainer bei Hertha BSC

Gibt es eigentlich irgendein Wort dafür, wenn jemand dumm stürzt und dann optimal landet? Nein? Aber schön wäre es, und auf Hertha BSC würde es nämlich zutreffen. In der Zeit nach der Verkündigung, dass Pál Dárdai in der nächsten Saison nicht mehr Trainer des Bundesligisten sein soll, hatte Hertha zunächst recht naive Fehler gemacht bei der Suche nach einem neuen Trainer.

Vor allem wollten Manager Michael Preetz und seine Berliner einen großen, strahlenden Namen an die Spree zerren: Wenig Konzept war dahinter erkennbar, jeden Tag hörte man einen anderen Namen, David Wagner, André Villas-Boas, Jürgen Klinsmann. Der Klub fing sich Absagen ein und lavierte herum. Die umworbenen Trainer sahen offenbar, was das Management qua seines Amts nicht erkennen will: Wie begrenzt Herthas Potenzial trotz der starken Jugendarbeit ist.

Vermutlich ist Hertha nicht mal ein Verein, bei dem das Konzept Startrainer heute funktionieren würde. Etwas lustig wurde es dann, als Preetz nun am Wochenende den eigenen U23-Coach Ante Čović als Dárdai-Nachfolger nannte, „nach intensiver Prüfung verschiedenster Kandidaten“. Čović dürfte in Wahrheit eher dritte oder vierte Wahl gewesen sein. Der treue Pál Dárdai war nicht mehr groß genug für Herthas Ambitionen, und statt eines internationalen Supertrainers musste Hertha nun den eigenen Nachwuchscoach als neuen Mann präsentieren.

Aber gerade diese Lösung steht Hertha gar nicht schlecht. Das Konzept wirkt konsistenter, als es vermutlich anfangs geplant war.

Ante Čović teilt einige Eigenschaften mit Pál Dárdai. Ebenfalls ehemaliger Hertha-Profi, auch seit zig Jahren im Verein, auch Jugendtrainer ohne Erfahrung im Profifußball: regional, bodenständig, ein Nachwuchsförderer, ein Kumpeltyp. Hertha ist mit diesem Prinzip gut gefahren, der Verein entwickelt eine eigene Linie. Dabei muss man die Parallelen nicht überbewerten. Ein Dárdai 2.0 ist Čović wohl nicht, eher der Typ Tetrapak: die Verpackung ähnlich, der Inhalt anders. Von der Spielauffassung soll der gebürtige Berliner von Dárdai weit entfernt sein, wenn man die Aussagen der Spieler, die mal von ihm trainiert wurden, deutet. „Erfrischender Offensivfußball“ wird ihm nachgesagt, viel Wert auf Passspiel und auf schöne Kombinationen soll er legen. Ein Ballbesitz-Coach, mehrere Kicker wollten gar einen Einfluss von Pep Guardiola wahrgenommen haben.

Das ist wahrscheinlich dann doch etwas zu euphorisch, aber wenn auch nur ein Teil davon stimmt, hat Hertha sinnvoll gewählt. Eine Weiterentwicklung des Dárdai’schen Beton-Konterfußballs war überfällig. Im Idealfall kommt also mit Ante Čović einer, der Stallgeruch kann und Nachwuchsarbeit, aber deutlich mehr spielerische Ambitionen hat als sein Vorgänger.

Und wenn es nichts wird, war es ein Fehler, der immerhin nicht viel kostet. Alina Schwermer

Einen großen, strahlenden Namen wollte man im Verein an die Spree zerren

Alina Schwermer über die dann doch erfolgreiche Trainersuche bei Hertha