berliner szenen: Akkurat mit braunem Blättchen
Morgenspaziergang“ heißt das Lied von Kraftwerk auf der Autobahnplatte, die ich in den 90ern gerne gehört hatte. Der Tag beginnt mittlerweile um sechs, dann ist es hell im Zimmer und statt weiter zu schlafen, geht es die Straße runter, der Sonne entgegen; an Kirche, Autowerkstatt, Kita und dem kleinen Hotel vorbei. Automatisch guckt man unter der Treppe, die ins Hotel führt, ob nicht einer der Gäste was verloren hat. Vor drei Jahren hatte ich hier ein kleines Tütchen mit Pulver gefunden, das vermutlich als Kokain verkauft worden war. Ein paar Tage später hatte ich es getestet, um zu gucken, was das macht – tendenziell eher ungeiles Zeug, aber auch nicht weiter schlimm. Wenn man allein wohnt, kann man sich ja alles erlauben.
Das Finden war schön gewesen, fünf Euro auf der Straße sind viel schöner, als 100 Euro verdient. Am Ende der Straße steht ein Einkaufswagen voller Müll, obenauf liegt ein akkurat mit braunem Blättchen gedrehter Joint. Freundlich fühlt man sich gegrüßt. Vielleicht ist es auch eine Entschuldigungsgeste dafür, diesen vollgemüllten Einkaufswagen hier hingestellt zu haben. Vielleicht hatte die Person, die den Wagen hier hingestellt hat, darin zuvor Flaschen gesammelt und nachdem sie die Flaschen abgegeben hat, hat sie solange Müll in der Gegend gesammelt, bis der Wagen voll war. Eventuell waren mehrere Personen beteiligt, und vielleicht ist es auch so ähnlich wie bei Pippi Langstrumpf mit der Geldbörse, an der ein Faden befestigt war, und irgendwo in der Nähe verstecken sich Jugendliche und finden es lustig.
Oft gibt es Täuschungen: Tütchen mit Erde oder getrockneter Scheiße, die auf den ersten Blick aussieht wie Haschisch. Rauchen kann man ja alles. Zum Beispiel Bananenschalen. Damit sind die Leute aus dem Osten groß geworden.
Detlef Kuhlbrodt
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