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„Bin schwer traumatisiert“

HSV-Anhänger und Ex-Aufsichtsrat Axel Formeseyn spricht über sein Leiden als Fan des kriselnden Traditionsklubs. Und darüber, was passieren müsste, damit sich etwas ändert

Auf geht’s – vielleicht

Zum Aufstieg verdammt ist der HSV aus finanziellen Gründen. Bei einer weiteren Saison in der Zweiten Bundesliga müsste der Klub die Kosten des Profikaders radikal eindampfen.

Den Aufstieg schon fast verstolpert hat der HSV in den vergangenen Wochen. Seit dem furiosen 4:0-Sieg beim FC St. Pauli holte das Team von Hannes Wolf nur sechs von möglichen 27 Punkten. Zuletzt setzte es eine 0:3-Klatsche gegen den abstiegsbedrohten FC Ingolstadt.

Der direkte Aufstieg ist passé, wenn der HSV am Sonntag beim SC Paderborn verliert. Gewinnt er, stehen die Chancen gut.

Interview Daniel Jovanov

taz: Herr Formeseyn, können Sie Ihre Gefühle für den HSV in den letzten zwölf Monaten zwischen Abstieg aus der Ersten Bundesliga und drohendem Nicht-Aufstieg beschreiben?

Axel Formeseyn: Die Berufung von Christian Titz zum Cheftrainer hat sicherlich viel dazu beigetragen, die aufgeheizte Stimmung vor einem Jahr abzufedern. Es wurden zum Beispiel junge Spieler in die Mannschaft integriert und bestimmte Medien entgegen alter Gewohnheiten nicht zuerst bedient. Der Trainer gab vielen das Gefühl, dass endlich mal normale, bodenständige Leute am Werk sind, für die man sich nicht schämen muss. Insgesamt hat der erste Abstieg zu einer Art Erlösung geführt. Wie ein jahrelanger Ehekrach, der in der Scheidung ein Ende gefunden hat und für beide Seiten das Beste ist, selbst wenn man sich einen anderen Ausgang gewünscht hätte. Jetzt dominiert allerdings schon wieder das Gefühl der Ernüchterung.

Was haben all die Krisenjahre mit Ihnen gemacht?

Schon während meiner Zeit als Aufsichtsrat zwischen 2004 und 2009 habe ich gedacht, dass man in dieser Konstellation zwischen Aufsichtsrat und Vorstand auf Dauer keinen Erfolg haben kann. Die nachfolgende Entwicklung kam daher nicht überraschend. Trotzdem haben mich die letzten Jahre schwer traumatisiert. Mitten in dieser Phase wurde auch noch mein Sohn geboren, der sich zwar für Fußball interessiert, aber nicht mehr für den HSV.

Warum?

Er fragt sich zurecht, was eigentlich dafür spricht, HSV-Fan zu sein.

Haben Sie eine Antwort?

Nein. Mein einziges Argument ist: Ich bin HSV-Fan, weil ich es halt bin. Und das ist wirklich harte Arbeit. Ich fühle mich vom Schicksal verarscht.

Beim letzten Heimspiel wurde die Mannschaft erstmals seit Jahren von den eigenen Fans verhöhnt. Haben Sie dafür Verständnis?

Nach dem 0:1 von Ingolstadt habe ich den Ton meines Fernsehers abgestellt und Jazz-Musik gehört. Das hat mich durchaus entspannt. Zu den Fans: Wenn ich es nicht aushalte, brauche ich auch nicht hinzugehen.

Und wenn man trotzdem da ist? Welches Mittel der Unmutsbekundung ist denn legitim?

Gute Frage. Die eigene Mannschaft auszulachen oder zu pfeifen, ist trotzdem nicht mein Ding. Ich bleibe dabei: Die effektivste Form des Protestes ist das Fernbleiben.

Trifft es denn die Richtigen, wenn die Fans die Spieler auspfeifen?

Axel Formeseyn

47, ist treuer HSV-Fan, war zwischen 2004 und 2009 im Aufsichtsrat des Vereins, ist Autor und Kolumnist bei der Hamburger Morgenpost und arbeitet als Lehrer.

Ich sehe sie in keinem Fall als die allein Schuldigen. Sie müssen sich nicht dafür rechtfertigen, wenn sie zehn Millionen im Jahr verdienen und ihnen das zum Vorwurf gemacht wird. Natürlich beginnt das Problem oben, aber wahrscheinlich schon nach dem Triumph 1983 im Pokal der Landesmeister, als es hieß: „Quo vadis HSV?“ Es gehört zur Tradition, dass die amtierende Führung den ganzen Mist der Vorgänger ausbaden muss und irgendwann keiner mehr weiß, wer eigentlich dafür verantwortlich war. Von außen will der HSV aussehen wie eine Villa, ist in Wirklichkeit aber eine Bruchbude, eine reine Flickenschusterei. Und die Ultras beispielsweise halten sich seit der Ausgliederung der Profifußballabteilung vor fünf Jahren vereinspolitisch weitestgehend raus und verursachen stattdessen Rauch und Kosten. Es gibt immer nur Schwarz oder Weiß. Einen Mittelweg gab es nie. Deshalb muss der HSV wohl erst so richtig gegen die Wand fahren, um sich neu zu finden.

Was bringt denn die Zukunft?

Ich bleibe beim Bild mit der Villa: Sie muss zunächst abgerissen werden, damit etwas Neues entstehen kann. Der Abstieg war erst der Anfang, der absolute Tiefpunkt ist noch längst nicht erreicht. Vielleicht ist das ein Hamburg-spezifisches Pro­blem, Anspruch und Wirklichkeit in Einklang zu bringen. Wer hinter die Fassade dieser „Weltstadt“ blickt, lacht doch laut auf.

Sie kennen den HSV und seinen aktuellen Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann aus Ihrer Zeit als Aufsichtsrat sehr gut. Macht Ihnen diese Personalie Hoffnung auf Besserung? Oder ist die Problematik losgelöst von Personalien zu betrachten?

Letzteres. Ich glaube, dass Hoffmann der richtige Mann sein könnte – mit dem Verhalten und der Einstellung aus seiner Anfangszeit vor 15 Jahren. Schon das Zustandekommen seines Aufstieges an die Spitze der Macht über den Umweg des gemeinnützigen HSV e. V. ist allerdings problematisch. Es kann nur mit Sauberkeit, Transparenz und Authentizität funktionieren. Am besten wäre wohl ein Szenario mit unbekannten Führungskräften ohne HSV-Vergangenheit, die völlig unvorbelastet agieren könnten.

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