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Archiv-Artikel

„Er ist an einem besseren Ort“

Nach dem Mord an Bruder Roger: Wie die Pilger und Pilgerinnen auf dem Weltjugendtag in Köln um den Begründer der Taizé-Gemeinschaft trauern – und kirchliche Organisationen auf das Ereignis reagieren

Die Stimmung ist ausgelassen in Köln. Überall Flaggen aus aller Frauen Länder, von Polen über Mexiko und Brasilien bis zu den Seychellen und Swasiland. Zehntausende junger Pilgerinnen und Pilger des katholischen Weltjugendtags schieben sich aneinander vorbei, singen, beten – und lachen. Dabei ist dies heute eigentlich ein trauriger Tag für die christliche Jugend der Welt. Denn Frère Roger Schutz, der Gründer des ökumenischen Zentrums Taizé, das seit Jahrzehnten vor allem junge Leute anspricht, ist am Vorabend erstochen worden. Wo sind Trauer, Stille, wenigstens Betroffenheit?

Kinga, eine 19-jährige Gläubige aus Tarnów in Polen, ist traurig. Diese Frau, die Frère Roger umgebracht hat, muss verrückt gewesen sein, sagt sie – „vielleicht stand sie im Kontakt mit dem Satan!“, ergänzt sie. Aber man wisse eben nichts Genaues über seinen Tod. „Wir haben für seine Seele gebetet“, erzählt sie noch. Die Atmosphäre hier sei weiterhin großartig.

Für die Gläubigen ist die ausgelassene Stimmung angesichts des Mordes an Bruder Roger kein Widerspruch. „Er ist an einem besseren Ort gekommen“, sagt Eivind, „wir beten für ihn im Himmel.“ Eivind kommt aus Stavanger in Norwegen, gerade steht er mit einer kleinen norwegischen Flagge auf der Domplatte. Vergangenen Sommer war der 20-Jährige in Taizé gewesen. Frère Roger habe ihm damals noch den Segen gegeben, ein Kreuzchen auf die Stirn. „Er war ja schon ein alter, schwacher Mann“, sagt Eivind. Aber Frère Roger sei ein „großes Symbol für die Kirche“ gewesen.

Offensichtlich ist, dass Frère Roger praktisch nur in Europa einen Namen gehabt hat. Befragt man junge Gläubige aus Brasilien, aus Venezuela, Afrika oder den USA nach ihm, schaut man nur in fragende Gesichter – immerhin gibt es einen bedauernden Handschlag eines jungen Mannes aus Michigan.

Erschüttert zeigten sich hingegen die Organisatoren des Weltjugendtages. Die Spitzen der katholischen Kirche von Köln suchten umgehend die Sankt-Agnes-Kirche in Köln auf: Die Gemeinschaft von Taizé nimmt am Weltjugendtag teil und hat dort sowie im Bonner Münster ein geistliches Zentrum eingerichtet.

Die Gemeinschaft werde sich trotz der Ermordung von Frère Roger weiter engagieren, sagte Prälat Heiner Koch, der Generalsekretär des Weltjugendtages. „Das wäre sicher nicht in seinem Willen gewesen, dass wir Angebote zurücknehmen.“ Davon ist er überzeugt. Koch kündigte an, dass in den nächsten Tagen in einer Liturgie des Ordensgründers gedacht werde.

Nicht nur die Amtskirche trauert, auch die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ ist bestürzt. Die Jugendtreffen der Gemeinschaft von Taizé seien älter gewesen als der Weltjugendtag, der Vatikan habe sie nur kopiert, kritisierte Christian Weisner von „Wir sind Kirche“.PHILIPP GESSLER, DIRK ECKERT