Österreichs Polizei handzahm

Österreichs Identitären-Chef wurde vor Hausdurchsuchung gewarnt

Die Verbindungen von Österreichs Identitären-Chef Martin Sellner zu dem rechtsextremen Attentäter von Christchurch, Brenton Tarrant, drohen sich zur Staatsaffäre auszuweiten. Nachdem vor einigen Tagen Teile des freundschaftlichen E-Mail-Verkehrs zwischen Sellner und Tarrant publik wurden, durchsuchte die Polizei am 23. März die Wohnung des Indentitären-Chefs. Dieser löschte jedoch 41 Minuten vor dem Eintreffen der Polizei seinen Mailverkehr und andere Dokumente von der Festplatte seines Computers. Offenbar wurde Sellner vor der Hausdurchsuchung gewarnt.

Die österreichische Polizei muss sich jetzt die Frage gefallen lassen, ob sie von der Identitären-Bewegung unterwandert ist. Dieser Vorwurf steht auch wegen des ungewöhnlichen Vorgehens der Beamten im Raum: Um 13 Uhr klingelten sie an Sellners Haustür und warteten. Nach dem Läuten der Klingel, die nicht zu funktionieren schien, klopfte man mehrmals an die Tür, so das Polizeiprotokoll. 12 Minuten verbrachten die Beamten vor Sellners Tür, obwohl „Geräusche aus dem Wohnungsinneren vernommen werden“ konnten. Sellner öffnete erst, als er seine Löscharbeiten beendet hatte.

Nach Ansicht des Politikers Peter Pilz dürfte die Zeit jedoch nicht ausgereicht haben, um die Daten „spurlos“ zu löschen. Er fragt, warum die Polizei die Dateien noch nicht wiederhergestellt habe. Der Landtagsabgeordnete fragt sich zudem, wer Sellner vorgewarnt haben könnte: Der Durchsuchungsbeschluss war erst am Vormittag ausgestellt worden. Der Kreis der möglichen Informanten umfasst nur wenige Polizisten, den Staatsanwalt und den zuständigen Richter.

„Oder war auch die Spitze des Innenministeriums informiert?“, mutmaßt Pilz gegenüber der taz. Das Ministerium leitet FPÖ-Mann ­Herbert Kickl, der vor drei Jahren auf einem Treffen von Rechtsextrem in Linz schwärmte, endlich vor Gleichgesinnten reden zu können. Seit die FPÖ mitregiert, darf der österreichische Inlandsgeheimdienst nicht mehr gegen politische Parteien ermitteln. Das betreffe natürlich in erster Linie die FPÖ selbst, meint Pilz. Im Parlament will er eine Dringliche Anfrage stellen, um die Querverbindungen der FPÖ zur rechtsextremen Szene untersuchen zu lassen. Ralf Leonhard