: Auftakt zu einem langen Kampf
SOZIALFORUM Was tun gegen Schwarz-Gelb? Soziale Bewegungen und Initiativen in Deutschland beraten auf einem Treffen über Widerstand gegen Atomkraftwerke, Sozialabbau und den Afghanistan-Einsatz
HITZACKER taz | Wenn in Hitzacker nahe Gorleben demonstriert wird, geht es normalerweise zur Sache, denn meist rollt dann ein Castor-Zug aus Lüneburg heran. Beim dritten deutschen Sozialforum an diesem Wochenende wurde jedoch erst einmal noch nichts blockiert. In etwa 100 Veranstaltungen debattierten rund 600 Menschen darüber, wie eine „andere“, eine gerechte Welt, zu verwirklichen sein könnte. Doch die Voraussetzungen dafür, so die Stimmung auf dem Sozialforum, haben sich nach der Wahl verschlechtert.
Crash zu abstrakt
Das Gros der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ging davon aus, dass man sich nun auf einen „Dauerkampf“ einstellen müsse. Denn die große Zustimmung, die CDU und FDP bei der Wahl erhalten habe, sei ein Problem: „Die meisten Menschen sind gegen den Afghanistan-Krieg, für den Atomausstieg und für den Mindestlohn“, sagte einer. Trotzdem hätten sie Schwarz-Gelb gewählt. „Wir müssen uns fragen, wieso.“
Alexis Passadakis von Attac versuchte zu skizzieren, wie ein „Abwehrkampf gegen die sozialen Angriffe“ aussehen könnte. Den Bankencrash und soziale Ungerechtigkeit abstrakt als Themen zu setzen habe „nicht funktioniert“ und „keine weitere Politisierung“ zur Folge gehabt. Nun müsse man versuchen, mit Konzepten wie dem bedingungslosen Grundeinkommen oder „betrieblichen Konflikten mit symbolischer Ausstrahlung“ politische Energien zu wecken.
Peter Strutynski vom Kasseler Friedenratschlag äußerte die Befürchtung, dass Afghanistan durch die geplante Verdoppelung des Bundeswehr-Kontingents „für Deutschland zum ersten Vietnam“ werde. Er kündigte eine „alternative Abstimmung“ über den Einsatz an. Für ihn steht fest: „Die Leute sind dagegen“. Das Problem sei nur, dass „kein Schwein auf die Straße geht“.
Eine Zuhörerin empfiehlt da, mit Betriebs- und Stadtteilarbeit kleinteilige politische Angebote zu machen: „Unzufriedene gibt es genug. Wir müssen die nur organisieren,“ sagte sie.
Rückschlag um 10 Jahre
Zeitgleich zum Sozialforum tagte die Anti-Atom-Herbstkonferenz in Hitzacker. „Unter Schwarz-Gelb stehen wir wieder da, wo wir schon vor zehn Jahren waren“, sagte Kerstin Rudek von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. 2010 soll eine Kampagne gegen die drei erwarteten Castor-Transporte nach Gorleben, Ahaus und Greifswald gestartet werden.
Samstagmittag sammelten sich die Teilnehmer des Sozialforums zu einem Demozug. Eine Rednerin erinnerte daran, dass vor genau einem Jahr der Finanzmarktstabilisierungsfonds Soffin von der Bundesregierung 480 Milliarden Euro zur Rettung von Banken bekommen habe. „Gestern wurde gemeldet, dass eine Milliarde Menschen hungern müssen, obwohl es genug zu essen für alle gibt.“ Gleichzeitig würden einige Wall-Street-Banken in diesem Jahr so hohe Boni auszahlen wollen wie noch nie. „Mitten in der Krise scheint das immer noch zusammen zu gehen.“ Genau hier seien die sozialen Bewegungen gefordert.
CHRISTIAN JAKOB