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Archiv-Artikel

Mit begrenzter Haftung

RETTUNGSSCHIRM Der ESM-Vertrag ist verfassungsgemäß, solange Deutschland nicht für mehr als 190 Milliarden geradestehen muss

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Mit diesen kleinen Auflagen können Bundestag und -regierung gut leben. Das Bundesverfassungsgericht hat den Rettungschirm ESM grundsätzlich gebilligt. Deutschland muss aber klarstellen, dass die deutsche Haftung nicht hinter dem Rücken des Bundestags über 190 Milliarden Euro hinaus erhöht werden kann.

Der ESM (die Abkürzung steht für Europäischer Stabilitätsmechanismus) ist eine Art Bank. Er soll Eurostaaten helfen, wenn sie Probleme haben, sich am Kapitalmarkt zu erträglichen Konditionen zu finanzieren. Solchen Staaten wie Griechenland oder Spanien kann der ESM Kredite zu günstigen Zinsen oder Kreditgarantien geben. Im Gegenzug verpflichten sich die begünstigten Staaten zu Strukturreformen, die sicherstellen sollen, dass die Hilfe vorübergehend bleibt.

Bundestag und Bundesrat haben dem ESM-Vertrag Ende Juni mit großen Mehrheiten zugestimmt. Wegen der anhängigen Klagen hat der Bundespräsident die Ratifikationsurkunde aber noch nicht unterzeichnet.

In seinem Eilurteil gab das Bundesverfassungsgericht jetzt grünes Licht. Nach „summarischer Prüfung“ kamen die Richter zu dem Schluss, dass der ESM nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Die Währungsunion sei weiter als Stabilitätsgemeinschaft konzipiert. Auch das Demokratieprinzip sei gewahrt. Nur zwei Punkte muss Deutschland in völkerrechtlich verbindlicher Form klarstellen.

Zusätzliche Abdichtung

Am wichtigsten sind die Haftungsgrenzen. Laut Vertrag haftet Deutschland für 27 Prozent der Gesamtsumme von 700 Milliarden Euro: Das sind 190 Milliarden Euro. Im Vertrag steht zwar, dass diese Haftungsgrenze „unter allen Umständen“ gelte. Doch die Kläger – unter anderem Peter Gauweiler (CSU) und die Linkspartei – hielten diesen Passus nicht für wasserdicht. Wenn andere Staaten als Zahler ausfallen, könnten doch höhere Pflichten auf Deutschland zukommen.

Die Verfassungsrichter haben die Regierung deshalb verpflichtet, verbindlich klarzustellen, dass 190 Milliarden auch bei Ausfällen anderer Staaten die Haftungsgrenze für Deutschland darstellen. Eine entsprechende Erklärung Deutschlands könnte in wenigen Tagen erfolgen. Ob die anderen Eurostaaten die Erklärung bestätigen müssen, wird in der Bundesregierung noch geprüft. Damit ist die 190-Milliarden-Grenze aber nicht auf ewig festgeschrieben. Der ESM kann sein Kapital durchaus erhöhen. Dann müsste aber der Bundestag vorher zustimmen.

Die Kläger fanden, dass schon 190 Milliarden Euro zu viel sind. Doch Karlsruhe räumte dem Bundestag in dieser Frage einen großen Einschätzungsspielraum ein – wie schon im letzten Herbst beim Urteil über den vorläufigen Rettungsfonds EFSF. Für das Wagnis spreche, so die Richter, dass auch bei einem Auseinanderbrechen der Eurozone gewaltige Verwerfungen drohten. Solche Abwägungen müsse die Politik treffen, nicht ein Gericht.

In einem zweiten Vorbehalt muss Deutschland sicherstellen, dass die im Vertrag erwähnte Verschwiegenheitspflicht der ESM-Funktionäre nicht die Information des Bundestagsabgeordneten behindert. Doch auch das ist nur eine Klarstellung.

Entgegen der Erwartung der Kläger sagten die Richter nichts zu künftigen Grenzen der EU-Integration. Das Wort Volksentscheid wird in dem Urteil nicht einmal erwähnt.