: Sektenarzt bleibt straffrei
Colonia Dignidad: Ermittlungen wegen Missbrauchs eingestellt
Die Staatsanwaltschaft Krefeld hat ihre Ermittlungen gegen Hartmut Hopp, den ehemaligen Leiter des Krankenhauses der Colonia Dignidad, eingestellt. Hopp galt als rechte Hand Paul Schäfers, des Chefs der 1961 gegründeten deutschen Sekte in Südchile, in der etwa 300 Bewohner*innen jahrzehntelang sklavenähnlicher Arbeit und sexualisierter Gewalt unterworfen waren.
Hopp wurde in Chile wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch von Kindern rechtskräftig zu fünf Jahren Haft verurteilt. Der Strafe entzog sich der Sektenarzt 2011 durch Flucht nach Deutschland. Im September 2018 lehnte das OLG Düsseldorf einen Antrag Chiles ab, dieses Urteil in Deutschland zu vollstrecken.
Nun folgte die Einstellung der Ermittlungen gegen Hopp seitens der deutschen Justiz. Diese muss auch bei Taten im Ausland ermitteln, wenn Täter oder Opfer deutsche Staatsangehörige sind. In dem seit 2011 laufenden Verfahren ging es um Beihilfe zu Mord, Körperverletzung durch zwangsweise Verabreichung von Psychopharmaka und Beihilfe zu sexuellem Missbrauch an Kindern. Es hätten sich „keine belastbaren Umstände ergeben, die einen hinreichenden Tatverdacht gegen den – jedwede Tatbeteiligung bestreitenden – Beschuldigten begründen könnten“, so die Staatsanwaltschaft. Beschreibungen konkreter Tathandlungen seien bei den Vernehmungen nicht gemacht worden.
Das kann der 32 Jahre alte Chilene Jaime Parra nicht nachvollziehen. Er war als Kind Mitte der 1990er Jahre in der Colonia Dignidad festgehalten und von Sektenchef Paul Schäfer missbraucht worden. Er beschreibt gegenüber der taz, er habe dort Psychopharmaka nehmen müssen, und hatte vor einem chilenischen Gericht auch detailliert dazu ausgesagt: „Zum ersten Mal bekam ich die Tabletten von Doktor Hopp. Er hat sie mir verschrieben. (…) Vor dem Einschlafen musste ich immer die Tabletten nehmen. Dann kam jemand und brachte mich zu Schäfer. Ich erinnere mich, dass ich die Medikamente genommen habe und erst viel später in Schäfers Zimmer wieder zu mir kam.“
„Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Krefeld reiht sich ein in eine lange Kette des Nichthandelns“, heißt es in einer Erklärung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und des Forschungs- und Dokumentationszentrums Chile-Lateinamerika (FDCL). Etliche Betroffene und Zeugen der in der Colonia Dignidad begangenen Verbrechen seien nicht vernommen worden. In Deutschland ist es in keinem Fall zur Anklageerhebung gegen Täter der Colonia Dignidad gekommen. Ute Löhning
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen