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Archiv-Artikel

Ein tiefer Griff in die eigene Kindheit

FAST EIN SUPERHELD Die DDR neu erfinden und dabei unterhalten: „Das UPgrade“ heißt ein Comic von Ulf S. Graupner und Sascha Wüstefeld, der vom Osten als Farce und Science-Fiction erzählt

Ronnys Heldentum irrlichtert zwischen verschiedenen Zeit- und Erzählebenen

VON JANA SITTNICK

Quallen fliegen durch den Weltraum, DDR-Bürger verschwinden spurlos, und Erich Honecker spricht seltsames Englisch. „Das UPgrade“ heißt der kürzlich erschienene Comic von Ulf S. Graupner und Sascha Wüstefeld, und er erzählt den Osten als Science-Fiction-Farce, mit Jungpionier Ronny Knäusel als „einzigem Superhelden“ der DDR. Ronnys Heldentum kommt in einer Mischung aus Agenten-, Mystery- und Abenteuergeschichte daher, sie irrlichtert gekonnt zwischen verschiedenen Zeit- und Erzählebenen.

Viele der Zeichnungen und Panels wirken, wie aus verschiedenen Zeithorizonten gefischt und in ornamentalen Arabesken miteinander verflochten. Die Farben und Formen muten nicht selten nostalgisch an, psychodelisch, hippiesk – Vergangenheit und vergangene Träume vermischend.

Pionier Ronny, auf dem Titel des ersten Bandes, wächst ahnungslos in Dresden auf, und er kann von Geburt an teleportieren. Durch seine übermenschliche Fähigkeit der De- und Rematerialisation überwindet er die Raumzeit, beamt sich 1973 zu den Weltfestspielen nach Ostberlin, um mit Erich Honecker zu sprechen. Doch es kommt anders als geplant …

Ulf S. Graupner, 1964 im thüringischen Greiz, und Sascha Wüstefeld, 1975 in Dresden geboren, greifen für ihren ersten gemeinsamen Comic tief in die Erinnerungskiste. Die eigene Kindheit dient ihnen als Bildarsenal, Ronny zum Beispiel ist ein Amalgam „unzähliger triefnasiger Ronnys“ aus der Nachbarschaft. „Wir machen uns über die DDR lustig“, meint Sascha Wüstefeld, „und wir wollen unterhalten.“ Die DDR sei in Comics und Graphic Novels oft so dargestellt worden, „als hätte es nichts zu lachen gegeben“. Die düsteren Fluchthelfergeschichten, so Ulf S. Graupner, seien zur Genüge erzählt.

Die beiden dichten ihrer Hauptfigur selbst eine – eher unheroische – Fluchthelfergeschichte an, denn Ronny bringt ausreisewillige Mitmenschen über die Grenze, doch nach der Wende steht er jedoch ohne Job da, frustriert und fett vom Bier. „Das ist folgerichtig“, sagt Graupner, „die Grenzen sind offen, und Ronnys Tätigkeitsfeld ist weg. Er ist ein gebrochener Superheld.“

Graupner und Wüstefeld kommen aus der Mosaik-Schule. In den neunziger Jahren arbeiteten sie für das legendäre ostdeutsche Comic-Magazin, das, 1955 von Johannes Hegenbarth gegründet, die Wendezeit überlebte und noch heute mit einer monatlichen Auflage von 150.000 im Berliner Steinchen für Steinchen Verlag erscheint. Graupner heuerte 1993 beim Mosaik an, nach seiner Ausbildung zum Gebrauchswerber und dem Trickfilmstudium an der HFF Babelsberg. Erst hier hätte er gelernt, dreidimensionale Figuren zu zeichnen. Fünf Jahre gehörte er zum fest angestellten Mosaik-„Zeichnerkollektiv“.

Für ihn erfüllte sich damit ein Kindheitstraum. „Als Vierjähriger hatte ich mein erstes Mosaik in der Hand“, erzählt er, „da konnte ich noch nicht lesen.“ Das Mosaik war Mangelware, ständig unterproduziert und sofort vergriffen, doch Graupner hatte Glück: Seine Großmutter arbeitete in einer Buchhandlung, konnte ihm ein Heft abzweigen. Seitdem sammelt Graupner, mittlerweile hat er an die siebenhundert Mosaik-Ausgaben, die seine Holzregale bis zur Zimmerdecke füllen.

Auch Sascha Wüstefelds Weg zum Mosaik war lang. Er fiel beim ersten Anlauf 1993 durch, seine Probezeichnung kam nicht gut an. Wüstefeld ließ nicht locker. Neben der Ausbildung zum Grafiker arbeitete er für ein Mosaik-Fanzine. „Ich war eigentlich nur am Zeichnen, Tag und Nacht“, sagt er lakonisch, „die Jugend war weg. Doch ich wollte ins Mosaik, ich wollte, dass die mich sehen.“ 1997 kam er als Praktikant in die Redaktion und blieb als Zeichner bis 2001.

Die Genauigkeit der Zeichentechnik, das Handkolorieren, die Arbeitsteilung in Autoren, Haupt- und Hintergrundzeichner, das alles hätte ihnen viel gebracht. Dennoch stiegen Graupner und Wüstefeld nach ein paar Jahren aus, um selbstständig zu arbeiten. „Du hast in einem Kollektiv nicht den Eindruck, dein eigenes Zeug zu machen“, gibt Graupner zu.

Die beiden Comiczeichner arbeiten viel, vor allem nachts, daheim an digitalen Grafiktabletts, meist sind es Werbeaufträge, Comicstrips für Illustrierte, auch Großaufträge von Disney. Schwere Vorhänge vor Graupners Fenster dämpfen das Tageslicht. Die „Ronny“-Geschichte hatten sie drei Jahre im Kopf, bis sie einen Verlag fanden, der ihnen die notwendige Freiheit gewährte.

Der erste „UPgrade“-Band ist im Juni erschienen, neun weitere Teile sind geplant. „Die Geschichte ist auf die Welt gebracht, das war das Schwierigste“, sagt Sascha Wüstefeld, „jetzt haben wir viele Bilder und Geschichten im Kopf, das reicht für die nächsten Bände.“

■ „Das UPgrade 1“, Zitty Verlag Berlin, 9,90 Euro