: Folterlager & Gefechte
Drastischere Worte hatten deutsche Diplomaten wohl kaum je gefunden: Im Januar 2017 wurde ein unter Verschluss gehaltener Bericht der deutschen Botschaft in Niger zu den libyschen Flüchtlingslagern bekannt. Die Diplomaten beschrieben diese darin als „KZ-ähnlich“. Wörtlich hieß es: „Exekutionen nicht zahlungsfähiger Migranten, Folter, Vergewaltigungen, Erpressungen sowie Aussetzungen in der Wüste sind dort an der Tagesordnung.“ Besonders erschütternde Berichte veröffentlichte im März die NGO Women’s Refugee Commission, die in Italien Menschen zu ihren Erfahrungen in Libyen befragt hatte. Männer und Frauen würden gezwungen, andere zu vergewaltigen, Penisse werden abgeschnitten, Frauen werden so lange misshandelt und vergewaltigt, bis sie verbluten und sterben.
In die offiziellen Lager kommen alle, die ohne gültige Aufenthaltspapiere aufgegriffen werden. Derzeit sollen dies etwa 5.000 bis 6.000 Menschen sein. Dazu gehören auch diejenigen, die die libysche Küstenwache auf Druck der EU bei dem Versuch, per Boot nach Europa zu gelangen, abfängt. In Libyen halten zudem bewaffnete Menschenschmuggler eine unbekannte Zahl von Flüchtlingen und Migranten in eigenen Gefängnissen gefangen und erpressen deren Angehörige mit Foltervideos.
Jetzt, während in Tripolis die Truppen der Sarraj-Regierung gegen jene des Generals Chalifa Heftar kämpfen, geraten die Flüchtlinge zusätzlich noch zwischen die Fronten der Kriegsparteien. Die UN-Menschenrechtsbeauftragte Michelle Bachelet warnte vor den Folgen der Kämpfe für die Inhaftierten. Am Mittwoch veröffentlichte Amnesty International einen Bericht, nachdem eines der Lager von Bewaffneten Männern überfallen wurde.
Einige der von Milizen Eingesperrten berichteten der taz am Telefon, von bewaffneten Gruppen dazu gezwungen worden zu sein, Verteidigungsgräben auszuheben oder Munition zu schleppen. Bereits am vergangenen Montag protestierten 600 Gefangene aus Eritrea, dem Sudan und Nigeria gegen die Zustände in dem Gefängnis von Qasr bin Ghashir. Seit dem Beginn des Krieges vor drei Wochen schlugen immer wieder Granaten neben dem Lager im Süden von Tripolis ein. Soldaten des Generals Heftar beendeten die Proteste schließlich und feuerten in die Menge. Nach Augenzeugenberichten gab es zwölf Verletzte und zwei Tote.
UNHCR-Mitarbeiter konnten am Mittwoch 325 Personen mit Bussen in die Küstenstadt Zauwia bringen. „Das Risiko für Flüchtlinge und Migranten in Libyen war noch nie größer als zur Zeit“, sagt der stellvertretende Missionschef Brook.
Christian Jakob, (Niamey) Mirco Keilberth (Tunis)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen