Kito Nedoschaut sich in Berlins Galerien um:
Die Durchschlagskraft der öffentlichen politischen Rede hat in der hochvernetzten Gegenwart noch einmal zugenommen. In seiner Soundinstallation „Speech“ (2017) bearbeitet der Berliner Künstler Nasan Tur das politisch-rhetorische Format, indem er die Inhalte mit Hilfe des Computers einfach weglässt. Nicht mehr die Stimmen von Politiker*innen sind nun in der Galerie Schwartzsche Villa zu hören, sondern andere Körpergeräusche, wie etwa das Luftholen, Seufzen und Räuspern oder die Reaktionen des Publikums. Bei der Videoinstallation „Memory as Resistance“ (2019) handelt es sich hingegen um eine Art Denkmal für all die verfolgten und ermordeten Journalist*innen unserer Zeit, darunter die Kreml-Kritikerin Anna Politkowskaja (1958–2006), der syrische Anti-IS-Dokumentarist Naji Jerf (1977–2015) oder die mexikanische Journalistin Miroslava Breach (1962–2017), die über Kartell- und Politikverflechtungen berichte (bis 10.6., Mo.–So. 10–18 Uhr, Grunewaldstr. 55, Künstler-Kuratorin-Führung mit Nasan Tur und Christine Nippe am Sonntag, 28. 4., um 14 Uhr).
Um die Verkörperung von Öffentlichkeit geht es in der Kienzle Art Foundation, wo die beiden Kurator*innen Julia Eichler und Fabian Ginsberg die Kunstwerke von Fareed Armaly, Penelope Georgiou, Josef Kramhöller, David Lamelas, Ketty La Rocca und Verena Pfisterer zu einer thematischen Sammlungspräsentation zusammengestellt haben. Da ist zum Beispiel die aus 10 Fotografien bestehende Arbeit „You You“ (1975) der italienischen Konzeptkünstlerin und Dichterin Ketty La Rocca (1938–1976) die mithilfe der Kamera und Händen die Macht der Gesten zu ergründen scheint. Oder die lockeren wie präzisen Zeichnungen von Josef Kramhöller (1968–2000), der das Porträt der Pianistin und Komponistin Clara Schumann variiert, das früher die blauen Hundertmarkscheine schmückte (bis 30.4., Do.–Fr. 14–19 Uhr, Sa. 11–16 Uhr, Bleibtreustr. 54; Buchpräsentation und Diskussion mit Julia Eichler, Fabian Ginsberg und Angelika Stepken, Leiterin der Villa Romana, Florenz am Sonntag, 28.4., 12 Uhr).
Neugierig bin ich auf die erste Berliner Ausstellung von Claude Viallat in der Galerie Kajetan (Eröffnung am Freitag, 26.4., 18–21 Uhr). In Frankreich ist der 82-jährige eine Berühmtheit, hierzulande ist der Anti-Malerei-Maler, der die Leinwand einst vom Keilrahmen befreite, noch weitestgehend unbekannt. „Meine ganze Arbeit“ so Viallat „zielt darauf ab, die Malerei zu entheiligen.“ Zum Einstieg ins Gallery Weekend klingt das doch ganz gut (bis 22. 6., Mi.–Fr. 14–19, Sa. 12–16 Uhr, Gneisenaustr. 33, 1. Hof, 2. Etage).
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