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Shakespeare gegen den Strich

Frauenfeindliche Aussagen ins Gegenteil verkehrt: Mit „Die Widerspenstige“ dekonstruiert die Shakespeare Company einen sexistischen Klassiker ihres Hausheiligen

Von Frank Schümann

Als die Bremer Shakespeare Company 2003 „The taming of the screw“ – zu Deutsch: „Die Zähmung der Widerspenstigen“ – auf die Bühne brachte, da war ihr die Problematik des Stoffes schon sehr bewusst. Mit der Kernaussage des Stückes, dass sich die Frau am Ende unterwirft, könne man heute nur schwerlich leben, sagte der damalige Regisseur Christian Fries – um sich denn auch etwas Besonderes einfallen zu lassen, nämlich zwei Fassungen des Schlussmonologes.

Das war ein erster Schritt dahin, Shakespeares Klassiker differenzierter zu betrachten. Heute, 16 Jahre später, ist die Kritik deutlicher: Das Stück, in dem gezeigt wird, wie die junge Katharina mit Schlaf- und Essensentzug in eine Ehe gezwungen wird, wird mittlerweile als eindeutig frauenfeindlich wahrgenommen.

Dennoch hat sich die Bremer Shakespeare Company jetzt wieder des Stoffes angenommen – und ist konsequenterweise einen Schritt weiter gegangen. Die Fassung von Regisseur Ralf Siebelt und Dramaturgin Simone Sterr bedient sich nicht nur bei Shakespeare, sondern auch bei dem Roman „Die störrische Frau“, in dem die amerikanische Pulitzer-Preisträgerin Anne Tyler die Figuren verändert in die Gegenwart holt – und ihre Sicht des Grundkonflikts unterhaltsam kommentiert und korrigiert.

Auf der Traumebene

In der nun schlicht „Die Widerspenstige“ betitelten Inszenierung folgt die Handlung weitgehend Tylers Text, lässt auf einer Traumebene aber auch Shakespeares Originalsätze einfließen. Erzählt wird die Geschichte der ledigen Kate, die für ihren Vater den Haushalt erledigt und sich nebenbei noch um ihre jüngere Schwester kümmert. Ihr Vater heißt hier nicht mehr Baptista, sondern Professor Battista und ist Wissenschaftler statt Kaufmann – auf der Suche nach dem „Schlüssel zum Verständnis für Autoimmunkrankheiten“, wie er sagt, wobei er auch vor Tierversuchen nicht haltmacht.

Kate produziert derweil vegetarischen „Fleischpapp“, wenn sie dem Vater nicht gerade seine Vesperbox bringen muss; hier docken die beiden Vorlagen wieder aneinander an. Denn der vermeintliche Schussel-Vater will Kate in erster Linie mit seinem Assistenten Pjotr (bei Shakespeare: Petruccio) verkuppeln, dessen Arbeitserlaubnis abläuft – eine Scheinehe soll es richten.

Die Figurenkonstellation ist stimmig, das Setting modern; die Bühne zeigt ein Labor mit allerlei zusätzlichen technischen Geräten (Kostüme und Bühne: Heike Neugebauer). In der zweiten Ebene gibt es ein Wiederhören mit den Originaltexten, zum Teil mit vertauschten Geschlechterrollen. Hier wird ordentlich herumgealbert, mal mehr, mal weniger gelungen.

Der Ideenreichtum von Regisseur Ralf Siebelt, der zum ersten Mal für die Company tätig war, ist dabei immens: Es gibt eine musikalische „Currywurst“-Einlage, Menschen in Mäuse-Kostümen, Zeitlupen-Szenen und vieles mehr. Schön sind auch die gefakten Partnerschaftsfotos von Kate und Pjotr, mit denen Baptista den Ämtern die Scheinehe glaubhaft machen will.

Sprung ins Jetzt

Nicht zuletzt ist all dies sehr überzeugend vorgetragen – Svea Meiken Auerbach ist vom ersten Moment an eine selbstbewusste, durch und durch überzeugende Kate, die den Sprung ins Jetzt ganz wunderbar hinbekommt. Erik Roßbander ist als Battista gleichermaßen ehrgeiziger Egoist wie liebender Vater; Tim Lee stattet seinen Pjotr mit viel Feingefühl aus und Simon Elias sorgt als radikaler Tierschützer Eddie für zusätzliches Leben.

Die Überraschung des Abends ist indes Nora Rebecca Wolff, die als pubertierende Bibi nicht nur einmal die Szenen-Diebin gibt. Richtig gut ist die Inszenierung immer dann, wenn sie ihre Themen mit bissigem Witz so ins Licht rückt, dass die Brisanz deutlich wird: „Kann man denn hier kein guter Mensch werden, ohne zu verhungern?“

Leider sorgt das Spiel mit den beiden Ebenen bisweilen aber auch für Verwirrung und raubt dem Hauptstrang darüber einiges seiner (möglichen) Intensität; auch nimmt das Stück erst nach der Pause ordentlich Tempo auf.

Die größte Schwäche des Abends ist allerdings ihr Schluss: Obwohl der ursprüngliche Anlass dafür irrelevant geworden ist, will Kate ganz selbstverständlich an der Hochzeit mit Pjotr festhalten. Dass hier eine frauenfeindliche Aussage ins Gegenteil verkehrt werden sollte, lässt sich vermuten – wirklich schlüssig ist es nicht.

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