Oh wie schön war das alte Spanien

Spaniens Rechtsaußenpartei VOX verherrlicht die Franco-Zeit und das Kolonialreich. Verteufelt werden Feministinnen und Separatisten

Aus Leganés Rainer Wandler

„Für Spanien“ steht über der Bühne geschrieben. Die Menge schwenkt rot-gelb-rote Natio­nalfahnen und die grünen Wimpel von VOX. Tausende füllen an diesem Samstagmorgen die Stierkampfarena in Leganés südlich von Madrid. Die Rechtsaußenpartei VOX steigt seit ihrem überraschenden Einzug ins Regionalparlament von Andalusien in der Wählergunst. Sie darf auf ein zweistelliges Ergebnis bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 28. April hoffen.

Unter den Besuchern sind die Krankenschwester Natalia González (30), ihr Mann Fernando Rodríguez, (33), Arzt, sowie der Autohändler Carlos Gordillo (35). Rodríguez und González haben bisher die konservative Partido Popular (PP) gewählt, Gordillo die rechtsliberalen Ciu­dadanos (Cs). „Doch die sind zu zögerlich“, erklärt Gordillo. Darum sind sie jetzt bei VOX.

Dessen Einordnung als „extreme Rechte“ lassen sie nicht gelten, VOX sei vielmehr „extrem notwendig“, so Rodríguez. Denn die junge Partei verteidige als einzige „die traditionellen spanischen Werte“. Er spricht von „Überfremdung“ und einer „besseren Kontrolle der Immigration“, um die „spanische Kultur zu schützen“. Seine Frau sieht weitere Feinde: „die katalanischen Separatisten und ihr Staatsstreich“. Sie meint das Unabhängigkeitsreferendum 2017. „Wir wollen das Erbe unserer Großväter schützen. Sie haben für Spanien gekämpft“, sie erinnert an den Sieg des Putschgenerals Franco im Bürgerkrieg.

„Schluss mit dem politisch Korrekten. Schluss mit der repressiven Genderideologie“, wettert Gordillo. Die Frauen, die zuletzt in Spanien stark für ihre Rechte mobilisierten, nennt er „Feminazis“. „Sie wollen den Männern die Männlichkeit nehmen“, stimmt González zu. „Meine Frau ist eine moderne Mutter zweier Kinder“, wird sie von ihrem Mann gelobt. „Alle in Spanien denken so wie wir, auch wenn sie sich nicht trauen, es zu sagen. Das ist der gesunde Menschenverstand“, meint González.

Dann geht es los. Ein Video zeigt den sozialistischen Regierungschef Pedro Sánchez, Politiker der linksalternativen Podemos sowie bekannte TV-Moderatoren. Die Menge pfeift und buht. „Wir wollten nie allen gefallen, sondern dich vertreten!“, steht am Ende zu lesen. Applaus. „Machen wir Spanien wieder groß!“, ruft der Moderator. Nach Vorrednern wie dem Gefängnisbeamten José Antonio Ortega Lara, der einst von der baskischen ETA entführt wurde, kommt der Star des Morgens: Santiago Abascal.

„Presidente, presidente“, jubelt die Menge dem 43-Jährigen zu, der 2014 aus der PP ausstieg und VOX gründete. Der Parteichef wettert gegen den „Krebs der autonomen Regionen“ und verspricht eine „Rezentralisierung“. Als Erstes werde er das katalanische Regionalfernsehen schließen, die Regionalpolizei auflösen und die Regierung in Barcelona des Amtes entheben. Abascal schimpft auf die „Diktatur linker Medien“ und das Gesetz gegen sexualisierte Gewalt. Er spricht vom Recht, Waffen zu tragen, „um die Familie zu verteidigen“, unterstützt Jagd und Stierkampf gegen „autoritäre Tierschützer“ und wettert gegen „die Diktatur der Regenbogenfahne“. „Die Schwulen und Lesben in Spanien haben nur eine Fahne, die spanische Flagge.“ Wieder jubeln alle.

Abascal benennt „politische Gegner“ und „politische Feinde“. Die einen sind PP und Cs, „die unentschlossene Rechte“; die anderen die Sozialisten und Pedro Sánchez, der Spanien an die verkauft habe, „die das Vaterland zerstören wollen“, als er mit den Stimmen baskischer und katalanischer Nationalisten sowie von Podemos an die Regierung kam.

„Wir sind nicht gegen Europa, aber verlangen, dass niemand unsere Souveränität beschneidet“, ruft er. „Flieht jemand vor der Justiz, muss er am nächsten Tag ausgeliefert werden.“ Es geht um Kataloniens Ex-Regierungschef Carles Puigdemont, dessen Auslieferung an der deutschen und belgischen Justiz scheiterte. „Puigdemont ins Gefängnis“, ruft die Menge.

Abascal lobt Spaniens Kolonialreich als „größtes Werk der Menschheit“. „Das freie Spanien ergibt sich nie wieder“ ruft er und zählt Mythen auf, vom Ritter Cid, der im Mittelalter gegen arabische Königreiche auf der Iberischen Halbinsel in den Krieg zog, bis zu Isabel der Katholischen, die 1492 mit der „Rückeroberung“ das Land vereinte.

„Jetzt beenden wir die Veranstaltung, wie immer, aufrecht“, ruft der Moderator. Alle erheben sich zur Nationalhymne. Rot-gelbes Konfetti fällt von der Decke. González macht ein Selfie von den dreien.