: 28 Flaschen auf dem Platz
Augen auf beim Modekauf: Zahlreiche Labels verwerten Plastikmüll oder Recyclingstoffe für neue schicke Mode. Doch Preise und der Recyclinganteil variieren stark
Von Ansgar Warner
Tragbares entsteht schon etwas länger aus Plastikmüll. Alte Lkw-Planen etwa werden zu Taschen und Rucksäcken aufgewertet, oder Saftkartons zu Portemonnaies. Aber warum nicht mal was richtig Anziehbares von Kopf bis Fuß? Nicht zuletzt ist kurzlebige Wegwerf-Mode ja auch für eine Menge Müll verantwortlich – im großen Müllstrudel im Atlantik schwimmt schließlich auch der eine oder andere Markenturnschuh oder die eine oder andere Polyesterbluse. Doch echte Upcycling-Mode wird auch mit ganz anderem Material fertig: denn aus PET-Flaschen lässt sich Nähgarn herstellen – und damit der Stoff, aus dem die Designerträume gemacht werden.
Trendsetter waren Outdoor-Marken wie Patagonia, die bereits um die Jahrtausendwende Fleecejacken aus Recyclingpolyester produzierte, mittlerweile enthalten 30 Prozent des Sortiments Anteile aus wiederverwerteten Kunststoffabfällen. Beim umweltbewussten Modelabel Kuyichi sollen es immerhin schon 20 Prozent sein. Etwas hinterherhinken da noch die großen deutschen Modeketten – aber selbst C&A lässt mittlerweile Jeans herstellen, die Kunststofffäden aus Recyclingplastik enthalten. In der Regel kombiniert man das „nachhaltige“ Polyester gleich noch mit recycelten Baumwollfasern, aus diesem Grund sammelt etwa H&M die gebrauchte Kleidung seiner Kunden wieder ein, wofür Rabatte beim Neukauf winken. Kritiker wenden allerdings zu recht ein, dass zum einen nur ein geringer Teil der Klamotten tatsächlich zu neuer Kleidung versponnen wird, und man zugleich die Ex-und-Hopp-Mentalität der Käufer bedient.
Ohnehin wird mit solchen Aktionen oft leider nur das Gewissen der Kundschaft beruhigt, während sich in der Masse nichts ändert. So firmierte etwa der mit viel medialem Tamtam und in Zusammenarbeit mit einer Umweltorganisation 2016 eingeführte Recyclingtreter „Adidas x Parley“ rein statistisch mit einer limitierten Auflage von 7.000 Stück nur unter ferner Liefen. Noch stärker für den Augenblick produziert waren die dreistreifigen Trikots, mit dem Bayern-Star Xabi Alonso und seine Kollegen bei einem Bundesligaspiel aufliefen – und damit jeweils 28 mutierte PET-Flaschen mit sich herumtrugen.
Da hat etwa die Frankfurter Sneakerschmiede ekn Footwear deutlich mehr Street Credibility, weil sie dauerhaft Laufschuhe anbietet, deren Sohlen aus wiederverwertetem Plastikmüll gemacht wurden. Gefertigt werden die schicken Treter zudem nicht in asiatischen Sweatshops, sondern zu fairen Bedingungen von portugiesischen Schuhmachern. „Jedes Einzelteil ist handgemacht und aus natürlichen Materialien“, verspricht das Label. Das darf dann schon mal etwas mehr kosten als der aufgeschäumte Kunststoff-Treter vom Discounter, bleibt aber noch im Rahmen dessen, was man für konventionell produzierte Markenschuhe sonst auch ausgeben würde.
Anders bei dem auf Streetwear wie auf modische Anleihen bei der Skater- oder Bikerkultur setzende Pariser Label Vetements (französisch für: „Kleidung“): Wer dort eine „Reworked Jeans“ oder eine Jeansjacke erstehen möchte, muss locker mal 1.000 bis 2.000 Euro dafür auf den Tisch legen. Ganz schön viel Zaster für eine Hose, die aus alten Levis-Jeans zusammengenäht wurde. Das „up“ im Wort „Upcycling“ kann also auch für maximale ökonomische Aufwertung stehen.
Da ist es vielleicht eine bessere Idee, die alten Teile zu hegen und zu pflegen, und so lange zu tragen, wie es geht. Gerade bei Jeans kommt das Flicken und Ausbessern tatsächlich wieder in Mode: In den Stores großer Marken wie etwa Replay findet man inzwischen „Repair-Shops“, die dem Kunden bei der Erhaltung der Kleidungsstücke helfen.
Natürlich könnte die Modebranche auch von Anfang an dafür sorgen, die Reparierbarkeit wie auch die Wiederverwertbarkeit ihrer Produkte zu erleichtern. Ein schönes Beispiel dafür ist das Kasseler Label Melawear, deren urbaner Rucksack „Answar“ (schwedisch für: „Verantwortung“) sich einfach wieder in seine Bestandteile trennen lässt: die Baumwolle wird recycelt, das Ziegenleder kompostiert, die Schnallen finden für einen neuen Rucksack Verwendung. Wer gebrauchte Teile zurückgibt, erhält eine kleine Prämie ausgezahlt.
Dass sich insgesamt etwas bewegt in der Modebranche, zeigt aber das bei öko-fairer Kleidung wichtige GOTS-Siegel (Global Organic Textile Standard), das eine Beimischung von 30 Prozent Recyclingkunststoff erlaubt. Es lohnt sich also, im Handel auf solche Zertifizierungen zu achten. Wer beim Einkauf von vornherein keine Kompromisse eingehen möchte, sollte sich nach Läden wie dem Berlin-Kreuzberger Supermarché umschauen: An solchen Orten wird ein Vollsortiment aus fair und nachhaltig produzierter Mode angeboten, die ebenfalls einen Anteil Recyclingplastik enthalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen