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Archiv-Artikel

Warme Papstworte in der Synagoge

Während des Weltjugendtags besucht Benedikt XVI. die Kölner Synagoge als zweiter Papst in der Geschichte der Kirche. Er ruft dazu auf, die Unterschiede zwischen Judentum und Christentum nicht zu verdrängen und sich trotzdem „zu lieben“

AUS KÖLN PHILIPP GESSLER

So ist das in der Politik, und so war es schon immer in der katholischen Kirche: Manchmal sind Symbole und Gesten wichtiger als Worte – insofern war die Tatsache, dass es einen Besuch des Papstes Benedikt XVI. in der Kölner Synagoge gegeben hat, wichtiger als das, was dann in diesem Gotteshaus der ältesten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen gesagt wurde.

Die christlichen Kirchen haben fast zwei Jahrtausende gebraucht, um ihre Judenfeindlichkeit abzuschütteln. Erst seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) betet die katholische Christenheit nicht mehr für die „treulosen Juden“. Und dass der Vorläufer des jetzigen Papstes, Johannes Paul II., vor etwa 20 Jahren eine Synagoge in Rom besuchte, war ein religionsgeschichtlicher Meilenstein. Benedikt XVI. betrat also kein interreligiöses Neuland – dennoch durfte er sich keinen sprachlichen Lapsus erlauben.

Spannung lag also in der Luft, als der Pontifex maximus in der Synagoge ans Rednerpult ging. Würde er auf zwei strittige Punkte eingehen, die Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der Kölner Jüdischen Gemeinde in seiner Begrüßungsrede zuvor erwähnt hatte: der christliche Antijudaismus, den es in manchen Ecken der katholischen Kirche immer noch gibt? Und würde er auf die von Lehrer angesprochene Tatsache eingehen, dass wichtige Akten in den Archiven des Vatikans über dessen Informationen zum Holocaust immer noch nicht der Geschichtswissenschaft offen stehen?

Benedikt XVI. ging darauf nicht ein – was eine gewisse Enttäuschung war. Auch das große Schuldeingeständnis seines Vorgängers Johannes Paul II. im Jahr 2000 wiederholte er nicht, wonach sich Mitglieder der Kirche beim NS-Judenmord schuldig gemacht hätten und die Kirche deshalb auch der Vergebung bedürfe.

Ganz in der theologischen Tradition von Johannes Paul II. sagte Benedikt XVI. gestern zum Holocaust: „Weil man die Heiligkeit Gottes nicht mehr anerkannte, wurde auch die Heiligkeit menschlichen Lebens mit Füßen getreten.“ Allein die Jüdische Gemeinde von Köln verlor durch den Judenmord über 11.000 Menschen.

Der Papst mahnte, dass es „erneut Zeichen des Antisemitismus“ gebe, bei denen man wachsam sein müsse. Die Kirche trete ein „für Frieden unter allen Völkern, Kulturen und Religionen“. Er betonte das „äußerst reiche geistliche Erbe, das Judentum und Christentum miteinander teilen“ und unterstrich, dass die Gnade und Berufung der Juden als von Gott auserwähltes Volk unwiderruflich seien – ein Seitenhieb gegen alle christlichen Fundamentalisten, die Juden zum Christentum bekehren wollen.

Zugleich machte es die Stärke dieser Rede aus, dass der Papst weiter bestehende fundamentale theologische Differenzen nicht um des guten gemeinsamen Gefühls willen beiseite drängte – denn der Graben zwischen Juden und Christen bleibt das Jesusbild: Messias oder nur ein besonderer Rabbi kurz vor der Zerstörung des Tempels? „Auch und gerade in dem, was uns aufgrund unserer tiefsten Glaubensüberzeugung voneinander unterscheidet, müssen wir uns gegenseitig respektieren und lieben“, sagte der Papst. Das „und lieben“ hat er spontan in seine Rede eingeflochten. Gut möglich, dass es diese beiden Worte sein werden, die den Kölner Weltjugendtag der großen Bilder, Gesten und Massen überleben.