: Heilloses Hildesheim
Hildesheims neuer Bischof Heiner Wilmer will die Verbrechen seiner Vorgänger enthüllen: Das muss als Großprojekt gelten
Von Benno Schirrmeister
Geradezu verzweifelt klingen die Statements von Hildesheims neuem Bischof Heiner Wilmer: „Der Missbrauch von Macht steckt in der DNA der Kirche“, hat er im Dezember erklärt. Und „es zerreißt mir das Herz“, bekannte er, nachdem sich ein über 70-Jähriger endlich getraut hatte, ihm von seinen Erfahrungen mit dem 1988 verstorbenen Bischof Heinrich Maria Janssen zu berichten. Der hatte ihn als Ministrant in den 1950ern gezwungen, sich in der Sakristei zu entblößen, ihn dann begutachtet und schließlich mit der Bemerkung weggeschickt, er könne ihn „nicht gebrauchen“.
Hinweise auf Janssens Taten und auf Priester, die ihm die Schäfchen zuführten, waren seither von der Bistumsspitze ignoriert, Whistleblower bestraft worden. Eingeführt hatte diese Praxis Janssens Nachfolger Joseph Homeyer, aber auch Bischof Wilmers unmittelbarer Vorgänger Norbert Trelle setzte sie noch fort. Selbst als feststand, dass Hildesheim Hotspot kirchlichen Missbrauchs gewesen war, mühte er sich nur, Wogen zu glätten. Offenbar half er sogar, die strafrechtliche Verfolgung eines geweihten Missbrauchstäters zu vereiteln: Im März 2010 hatte eine 14-Jährige im Generalvikariat von Übergriffen des 60-jährigen Paters Peter R. berichtet, mittlerweile einschlägig für sein Wirken am Berliner Canisius-Kolleg kirchengerichtlich verurteilt. Erst als das Geheimprotokoll dieses Gesprächs 2015 auftauchte, nahm Trelle Stellung – und bagatellisierte die Vorwürfe.
Wilmer nennt sexualisierte Gewalt ein Verbrechen. Er will nun durch externe Gutachten die Rolle Janssens dabei klären lassen, andererseits die theologische Debatte führen: Zwar sei „offensichtlich, dass die Kirche durch den Zölibat sexuell unreife Männer“ angezogen habe, sagte er der Braunschweiger Zeitung, als Erklärung reiche das jedoch nicht aus. In mehreren Statements fordert er, die Inszenierung der Kirche als moralische Instanz aufzugeben und sich fundamentaltheologisch neu zu bestimmen.
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