ausgesprochen: Narziss und Bahncard
Unhanseatisch: Sollte diesen so naheliegenden Vorwurf wirklich keiner geäußert haben in Richtung Ole von Beust? Und dass, wo doch die Hamburger Morgenpost von „hohen Wellen“ berichten konnte, die, äh, an die Kaimauern des Internetzes geschlagen seien, nachdem der Vormalsbürgermeister nun einem anderen zuverlässig lokalnarzisstischen, nämlich dem Hamburger Abendblatt gesagt hatte, Hamburg sei „geordnet, aber zum Teil langweilig“? Und als wäre so ein Urteil nicht schlimm genug: „faszinierende Unordnung“ attestierte von Beust dann auch noch Berlin, ausgerechnet. Berlin!
Freilich: Dort hat sich von Beust schon vor Längerem ein zweites Standbein hingestellt, sein Partner studiert da, Kunden gibt es dort auch für die Beratungsfirma, und es ist auch gar nicht so, dass er an Hamburg nicht auch allerlei Gutes benennen würde, von Schönheit ist die Rede, dieser anderen Mentalität und, ja: Lebensqualität. Und „aus internationalem Blickwinkel“, so von Beust, lägen beide Städte ja „nicht weit auseinander, sondern dicht beisammen“.
International, schminternational: Wer so ein Thema ausschlachten möchte, und sei’s nur der öde Erneut-Aufguss der angeblichen Konkurrenz zwischen irgendwelchen um Firmenansiedlungen Buhlenden, der muss das Spaltende stark machen, nicht den Ausgleich, der muss befeuern, nicht beschwichtigen. Als publizistisches Konzept schält sich bei der Mopo zunehmend eine Art Drei-Akt-Struktur heraus: Erst ein Bericht, in diesem Fall eine umfängliche Wiedergabe des anderswo erschienenen Skandalons. Tags darauf: Die schon erwähnten Wellen aus den (eigenen) Online-Kommentarspalten, abgedruckt auf toten Bäumen.
Akt drei: Nachlegen aus Autor*innenhand, gerne auch passiv-aggressiv: Warum es uns ja eigentlich gar nicht trifft, dass wir so langweilig sein sollen – sondern wir das sogar gut finden (weil: wenigstens keine „Verbrecher-Clans“ und „Chaoten“, die „fast jede Nacht Autos abfackeln“). Ulkig, wenn derselbe Verlag noch (noch im mehrfachen Sinne) ein Berliner Boulevardblatt herausbringt: Was mag in diesen Tagen drin stehen im Kurier? Vielleicht bringt Bahn-Jahreskarteninhaber von Beust ja mal einen mit. Wobei – findet man so was in der 1 Klasse? Alexander Diehl
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