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Archiv-Artikel

Drei Wettbewerber melden sich zurück

In Spiel zehn gegen zehn setzt sich der FC St. Pauli in der Verlängerung gegen den Zweitligisten Wacker Burghausen durch, obwohl der Club nach einer verspielten 2:0-Führung mindestens die Moral verloren hatte. Nun warten bis zu 150.000 Euro auf den klammen Verein

Die sehr allgemeine These, dass der Wettbewerb das Geschäft fördere, war in der jüngeren Vergangenheit selten in einem Spiel des FC St. Pauli abzuleiten. Erstens förderte in den vergangenen Abstiegs- und Drittligajahren kaum etwas die (finanziellen) Geschäfte des Vereins, und Wettbewerb wollte in der Ansammlung limitierter Fußballer auch nicht so recht aufkommen.

Spätestens mit dem nicht zu erwartenden 3:2-Erfolg gegen eine dem Ortsnamen nach zwar schlagbar klingende, aber umso schwerer bezwingbare Zweitligamannschaft aus Burghausen sind sowohl der Wettbewerb, als auch das Geschäft zu Tage gefördert worden. „Marcus Schulz freut sich finanziell. Ich mich aber sportlich“, strahlt Holger Stanislawski, Manager und Vizepräsident des FC St. Pauli. Der ehemalige St. Pauli-Spieler hat allen Grund, die sportliche Entwicklung gegenüber dem finanziellen Erfolg hervorzuheben. Nicht nur, weil das verlängerte Spiel mit Verwarnungen in allen Farben für die 9.000 Zuschauer ein mitreißendes Spektakel gewesen ist, sondern weil sich vor allem Spieler in den Vordergrund drängten, die in den letzten Tagen und Wochen zu den umsorgtesten Schützlingen gehörten. Felix Luz, Dennis Tornieporth und Hauke Brückner wussten jeder für sich die in sie gesteckten Erwartungen zu erfüllen und ihre Chance im Duell um einen Stammplatz zu nutzen.

Stürmer Felix Luz bedankte sich mit seinem Kopfballtreffer zum 3:2 in der 115. Minute für die „ein bis zwei guten Gespräche mit dem Trainer und dem Manager“, die notwendig waren, um den ehemaligen Stuttgarter wieder zu motivieren. Holger Stanislawski sucht seit seinem Büroumzug an die Trainingsstätte des FC St. Pauli häufiger das Gespräch mit den Spielern. Das sportliche Team um Trainer Andreas Bergmann, Assistent André Trulsen und Co-Trainer Klaus-Peter Nemet profitiert dabei von der Ausgeglichenheit des Kaders. „Es ist beruhigend zu sehen, dass man einen Jungen wie Hauke Brückner wieder einfach reinschmeißen kann“, freut sich Andreas Bergmann über die Vielfalt der Möglichkeiten. Und auch die Spieler schätzen die eingekehrte Nähe und Gesprächsbereitschaft zu ihren Vorgesetzten. Mit Holger Stanislawski strahlt „eine gewisse Wirkung auf die Mannschaft“ (Marcel Eger) aus, die zusätzlich zu den Gesprächen mit dem Trainer „ein paar Prozent mehr Disziplin ausmachen“.

Die etwas härtere Gangart bekam vor allem Neuzugang Dennis Tornieporth zu spüren. Bei seinem ersten Heimspiel am Millerntor wurde er noch vor Ende der ersten Halbzeit ausgewechselt, weil „der Junge mit der Kulisse nicht klargekommen ist“, so Bergmann. Für den aus Kiel gewechselten Tornieporth war es „echt schwierig vor 14.000 Zuschauern zu spielen“, statt wie gewohnt vor 2000. Bergmann beorderte Tornieporth in die zweite Mannschaft. „Dort sollte ich Spielpraxis sammeln.“ Das ausgerechnet er das zwischenzeitliche Tor zum 2:0 und den Pass zum 3:2 auf den Kopf von Luz zirkelte, sieht er nicht „als einen persönlichen Erfolg gegen den Trainer“. Denn selbstkritisch gesteht er ein, Fehler gemacht zu haben. „Als ich nach meiner Einwechslung wieder mit einem Fehlpass begann, habe ich mir gesagt: So kann es nicht weitergehen.“

Ein Gedanke, den sich der gesamte FC St. Pauli zu nutzen machte, als die 2:0-Führung innerhalb von drei Minuten egalisiert wurde. Nach der gelb-roten Karte gegen Fabio Morena in der Verlängerung sah das Team wie der sichere Verlierer aus, doch als auch die Attacke des Burghauseners Paul mit einer roten Karte (107.) bestraft wurde, schöpfte das Kiezteam wieder Hoffnung. „Zwischendurch war der Kopf echt leer“, beschreibt Fabian Boll die Situation. Was dann folgte sieht Dennis Tornieport als Situation, die „schöner war als das eigene Tor“. Er setzte sich auf der rechten Seite durch, passte auf Felix Luz und feierte noch dreißig Minuten nach Spielende mit den singenden Fans. „Ich hoffe, dass ihm dieses die Substanz gibt, die er für sich selbst braucht“, wünscht der Trainer seinem Schützling Tornieporth. Bergmann weiß, dass er den Wettbewerb im Team braucht, um den ersehnten Aufstieg wahr zu machen. So wie der Verein die 150.000 Euro, die mit Erreichen der zweiten Runde fließen können. OKE GÖTTLICH