piwik no script img

Toller Bestellservice

Cristiano Ronaldo erzielt für Juventus Turin bei der spektakulären Aufholjagd gegen Altético Madrid alle drei Treffer. Mit ihm scheint nun alles möglich

Bestens eingeübte Jubelpose: Ronaldo feiert seinen zweiten Treffer gegen Atlético Foto: ap

Aus Turin Tom Mustroph

Er sollte liefern – und er hat geliefert. Cristiano Ronaldo demonstrierte am Dienstagabend eine erstaunliche Verlässlichkeit, die jedem Bestellservice zur Ehre gereichen würde. Mit drei Treffern, zwei per Kopf, einem vom Elfmeterpunkt, sorgte der Portugiese im Alleingang für das überraschende Ausscheiden seines Lieblingsgegner Atlético aus der Königsklasse. Im Hinspiel in Madrid mussten sich die Italiener noch mit 0:2 geschlagen geben. Nun vermerkte die Gazzetta dello Sport triumphierend, dass Ronaldo bereits 25 Tore, davon jetzt vier Dreierpacks, gegen Atlético in seiner Karriere glückten.

Auf einmal ist alles gut beim italienischen Rekordmeister Juventus Turin. Vorher dagegen hatte es einige Kritik am Vorzeigestürmer Cristiano Ronaldo gegeben. Bis zum Dienstag war ihm nur ein Treffer in der gesamten Champions-League-Saison gelungen. Dazu kam ein übernervöser und völlig ineffektiver Auftritt bei der 0:2-Hinspiel-Klatsche in Madrid. All das hatte ernste Zweifel am Sinn der teuren Verpflichtung aufkommen lassen. 112 Millionen Euro Ablöse kostete der Mann, ein Jahresgehalt von 31 Millionen Euro, so wird kolportiert, soll er auf sein Konto überwiesen bekommen. Da musste Juventus flugs Geld an der Börse pumpen und eine Anleihe aufnehmen. Weil auch die Stadiontickets teurer wurden, probten sogar die Fans den Aufstand.

Jetzt sind sie aber alle glücklich in Turin. Die Tifosi blicken nicht mehr auf die Löcher in ihrem Geldbeutel, die Medien warfen den Superlativproduktionsapparat an.

Nicht völlig zu Unrecht. Denn wie sich der Star gegen die maximale Demütigung des Ausscheidens schon im Achtelfinale stemmte, das muss auch die beeindrucken, die ihn sonst vor allem für einen arroganten Schnösel halten. Erst bugsierte er Atletico-Keeper Oblak den Ball aus den Händen und bereitete das vermeintliche frühe 1:0 vor. Der Treffer wurde allerdings aberkannt, der Schiedsrichter stufte Ronaldos Aktion als unfair ein. Ronaldo, gern ein theatralischer Moserer, sparte sich in dieser Situation die Kräfte auf für Besseres. Mit zwei Kopfbällen, einer wuchtiger noch als der andere, sorgte er für das 2:0, den Ausgleich nach Toren also. Und kurz vor Schluss verwandelte er in bewundernswerter Kühle den Strafstoß. Und nach Spielschluss sagte er einfach: „Für solche Dinge haben sie mich doch nach Turin geholt.“

„Für solche Dinge haben sie mich doch nach Turin geholt“

Bescheidenheit à la Ronaldo

Der Mann, der Cristiano Ronaldo so gut eingestellt hatte, der den schier überwältigenden Ehrgeiz des Vieleskönners so zügelte, dass er sich nicht selbst blockierte, wartete nach Spielschluss mit einer verblüffenden Freude an der humorigen Spielanalyse auf. „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er mit nur einem Treffer diese Champions-League-Saison beendet“, flachste Allegri – und verband die Wertschätzung für seinen Torgaranten mit einer kräftigen Kritik.

Auch sich selbst nahm er aus seiner dialektischen Betrachtung nicht aus. „Bin ich im Hinspiel so schlecht, dass ich im Rückspiel so gut sein muss?“, fragte er gut gelaunt, als er auf die neuen Comeback-Qualitäten seiner Juventus angesprochen wurde. Denn so etwas hatte die Alte Dame in ihrer mehr als 100-jährigen Geschichte noch nicht fertiggebracht: Beim obersten europäischen Fußballwettbewerb einen 0:2-Rückstand im Rückspiel zu neutralisieren.

Zweimal war Juventus unter Allegri nahe dran – und ging dann doch als heroischer Verlierer in die Annalen ein: Beim wilden 2:2 und 2:4-Duell mit dem FC Bayern München im Jahre 2016. Und auch in der letzten Saison, als ausgerechnet Ronaldo die Aufholjagd nach dem 0:3 gegen Real Madrid mit einem späten Treffer torpedierte. Jetzt ist Ronaldo in Turin – und hat sich wieder genügend Selbstvertrauen erspielt, um seinen sechsten Henkelpott – und damit den vierten hintereinander – zu holen. Mit Ronaldo hat Juventus Turin an Fighter-Qualitäten definitiv gewonnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen