berliner szenen: Ihr letzter Club istder M27
Es regnet nicht. Es sprüht. Was in Hamburg schön wäre, weil es die Sehnsucht nach dem Meer weckt, ist in Berlin nur lästig. Zumal am Morgen, wenn sich alle annerven. Ein neuer Arbeitstag in Grau.
Im M27, dieser Pendlerschleuder von Jungfernheide nach Pankow, war hinten die Nacht kurz. Auf der langen Rückbank sitzt mit zerzaustem Haar in der Farbe Grün und einer kaputten Lederjacke die Botschafterin der Nacht. Die Jeans ein schwarzes Kettenmuster. Das Armband an der linken Hand leuchtet silbern. Darüber bunte Bänder aus Papier oder aus Plastik. Die Trophäen der Nacht – überall wurde Einlass gewährt. Auf dem linken Knie ist ein Eisbär tätowiert. Er lächelt schief.
Das mit Abstand Wichtigste, Wertvollste sind die Kopfhörer. Sie umhüllen den ganzen Kopf und leuchten in einem großartigen Schwarz. Ein Zugang an jedem Ohr zum Universum.
Auf der Rückbank hat sonst keiner der Morgenmüden Platz. Denn sie rudert wild mit den Armen und die Beine schwingen vor und zurück. Manchmal auch gefährlich hoch. Ihr letzter Club ist der M27. Sie singt mit. Immer und immer wieder. Musik in der stationären Umlaufbahn des Pendlerbusses.
„Oh, oh my dancer in the dark!“
Der Bus macht eine Vollbremsung. Stau an der Fennbrücke.
„Oh, oh oh, i stop thinking!
Is it real, or imagination?
Oh, oh my dancer in the dark!“
Im Bus stört es niemand. Sie schreit es ja auch nicht. Sie singt. Um uns steht und hupt der Verkehr. Egal. Der M27 schwingt durch das graue Sprühen da draußen.
An der Reinickendorfer Straße müssen wir alle raus. Die stinkende U-Bahn wartet. Sie tanzt weiter. Der Busfahrer strahlt.
„Sie ist meine große Freiheit! Schönen Tag euch. Bleibt fröhlich!“
Theresa Heinewald
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