: Mit Axt, Gitarre und Witz
VIDEOSPIEL Heavy-Metal-Fans lachen nicht. Oder doch? Mit dem lustigen Videospiel „Brütal Legend“ geht sein Erfinder Tim Schafer einen eigenwilligen Weg
„Metal ist tot“, mit einem Seufzen schaut der Roadie Eddie Riggs zur Bühne. Von dort mischen sich harte Gitarren, Scratchen vom Plattenspieler und abgehakter Rapgesang zu etwas, das seinen Ohren weh tut: Nu-Metal. Kurze Zeit später fällt ihm ein Teil der Bühnendekoration auf den Kopf. Durch magische Kräfte wird Eddie in eine bessere Welt versetzt. Sie besteht aus Gebeinhügeln und Totenschädeltempeln, Symbolen und Bildern, die direkt aus Texten und Plattencovern seiner Lieblingsmusik Heavy Metal zu stammen scheint. Nun kann das Videospiel, in dem Eddie der Hauptdarsteller ist, richtig losgehen.
„Brütal Legend“ heißt es und ist eine komische und bewegende Ode an eine als stumpf konnotierte Musikrichtung und ihre wichtigsten Nebendarsteller: Heavy Metal und die Roadies. Eddie baut im Zweifelsfall einfach ein Motorrad aus einer Metallspinne, die er zuvor im Kampf besiegt hat. Dazu sagt er Dinge wie: „Ich habe Schönheit geschaffen, nur durch Rock.“
„Videospiele dürfen lustig sein“, sagt Tim Schafer, „Humor spricht sehr viel mehr Menschen an als die sonst bei Spielen üblichen Themen wie Krieg, Gewalt oder Autos.“ Diese Themen sprechen eine junge männliche Zielgruppe an. Humor dagegen ist universell, glaubt Schafer und macht sich in „Brütal Legend“ über die wahrscheinlich männlichste Musik abseits von Gangsta-Rap lustig.
Humor ist kein Trend
Der 42-jährige US-Amerikaner sollte eigentlich wissen, das Humor kein Verkaufsschlager ist, denn viele seiner bisherigen Spiele waren komisch, wurden von den Kritikern auch gelobt, verkauften sich aber schlecht. Ob es die rührende, Film noir und mexikanische Totenriten zitierende Liebesgeschichte zwischen zwei Skeletten namens „Grim Fandango“ war oder das Abenteuer des übersinnlich begabten kleinen Jungen Raz in „Psychonauts“: Es waren Spiele mit eigenwilligen Charakteren, die den gängigen Spieletrends aber entgegenliefen.
Mit „Brütal Legend“ glaubt Schafer den Zeitgeist getroffen zu haben, wenn auch unabsichtlich: „Als wir mit der Entwicklung angefangen haben, hat sich niemand mehr für diesen Sound interessiert. Wir bekamen von den Verlagen Antworten wie: Ganz gut das Spiel, aber warum Heavy Metal? Können Sie es nicht in einer HipHop- oder Country-Welt spielen lassen?“ Geholfen haben Schafer Spiele wie „Rockband“ oder „Guitar Hero“, bei denen auf Plastikinstrumenten Songs nachgeahmt werden. Diese Karaoke-Spiele haben in den letzten Jahren enorme Verkaufszahlen erreicht und eher nebenbei Heavy Metal revitalisiert. Denn das ist die Musik, zu der man mit Plastikgitarren die besten Posen machen kann.
„Brütal Legend“ ist als Spiel eher konventionell und manchmal unnötig kompliziert, mischt Action- und Strategieelemente und benutzt die Musik fantasievoll als übergeordnetes Thema.
Leibhaftige Metalgrößen
Der Schauspieler und Komödiant Jack Black übernimmt die Stimme von Eddie Riggs in „Brütal Legend“. Die leibhaftige Heavy-Metal-Größe Ozzy Osbourne tritt als Hohepriester des Metal auf, Lemmy von Motörhead als Kill Master, der durch die Kraft seiner Basssaiten heilt, und Judas-Priest-Sänger Rob Halford als General der feindlichen Heir-Metal-Banger-Armee.
Wenn Eddie gegen das Böse kämpft, benutzt er Axt und Gitarre. Mit einem gut platzierten Powerakkord elektrisiert er die Feinde, mit der Axt schickt er sie ins Jenseits. Wenn es brenzlig wird, ruft er mit einem Solo eine Gruppe Headbanger herbei. Eddie ist komisch, ein Kerl mit dem Herz am rechten Fleck.
Man merkt Schafer an, dass er Heavy Metal albern findet, aber auch heiß und innig liebt. So spricht sein Spiel ganz verschiedene Zielgruppen an: Metalheads werden alle Anspielungen verstehen und sich freuen, wenn Lemmy den Rickenbacker-Bass zückt. Metalhasser werden durch das Spiel in ihrer Abneigung gegen Jeanskutten nur bestätigt, und Musikfans bekommen einen Soundtrack mit mehr als 100 Heavy-Metal-Songs zum Neuentdecken einer albernen, aber auch irgendwie coolen Musikrichtung. CARSTEN GÖRIG
■ „Brütal Legend“ (Electronic Arts) 60,95 €