piwik no script img

Optimierung bei der Abschiebung

Niedersachsen will über eine zentrale Behörde effektiver abschieben. Der Flüchtlingsrat lehnt das ab

Vor vier Jahren habe Innenminister Boris Pistorius mehr Menschlichkeit beim Umgang mit Flüchtlingen versprochen, erinnert der Flüchtlingsrat

Von Reimar Paul

Niedersachsens Landesregierung geht es nicht schnell und nicht effektiv genug mit der Abschiebung ausreisepflichtiger Flüchtlinge. Das Land strebt deshalb eine „weitere Zentralisierung des Rückführungsvollzugs“ an. Dies geht aus einem Papier des Innenministeriums hervor, das der Niedersächsische Flüchtlingsrat gestern bekanntmachte.

Demnach ist das Ministerium unzufrieden, „dass sich die Anzahl der eingeleiteten Abschiebungen je Ausländerbehörde sehr unterschiedlich darstellt“. Eine „zentrale Aufgabenwahrnehmung“ durch eine Landesbehörde biete daher „die Chance einer weiteren Verfahrensoptimierung, mit der Verbesserungspotenziale im Rückführungsvollzug besser genutzt werden können“.

Als vermeintliche Vorteile nennen die Autoren des Papiers etwa die „Konzen­tration der Passersatzpapierbeschaffung beim Land“, die „Erhöhung der Effektivität von Verfahrensabläufen“ sowie den „Aufwuchs von Erfahrungswissen“. Anstelle der kommunalen Ausländerämter oder -stellen solle künftig die Landesbehörde die Identität ausreisepflichtiger Flüchtlinge feststellen, die Abschiebungen (einschließlich Flugbuchung und Vollzug) organisieren und gegebenenfalls Abschiebungshaft beantragen.

Bis auf weiteres soll die bestehende Landesaufnahmebehörde die zusätzlichen Aufgaben übernehmen – und dafür personell kräftig aufgestockt werden. Bereits im Landeshaushalt 2019 sind 50 Vollzeitstellen vorgesehen, der Gesamtbedarf liege bei 200 Stellen. Das „operative Geschäft“ könne frühestens Mitte 2019 starten, heißt es.

Der Flüchtlingsrat lehnt das Vorhaben strikt ab. Schon heute komme es immer wieder zu haarsträubenden Szenen, wenn Menschen nachts ohne Ankündigung trotz schwerer Krankheiten oder anhängiger Gerichtsverfahren zur Abschiebung abgeholt würden, sagt der Geschäftsführer des Rates, Kai Weber. Eine solche Entwicklung werde sich mit einer „Abschiebungszentrale“ weiter verschärfen. Schließlich sei eine Ausländerbehörde vor Ort über aktuelle Entwicklungen stets besser informiert und näher an den Betroffenen als eine weit entfernte Landesabschiebungsbehörde

Vor vier Jahren, so Weber, habe Innenminister Boris Pistorius (SPD) eine Abkehr von der Abschiebungspolitik seines Vorgängers Uwe Schünemann (CDU) verkündet und mehr Menschlichkeit beim Umgang mit Flüchtlingen versprochen. Obwohl die Zahl der geduldeten und ausreisepflichtigen Flüchtlinge heute kaum höher sei als 2014, habe sich der Umgang mit diesen Menschen inzwischen radikal geändert.

Die damals als Ausdruck von Fairness gefeierte Ankündigung des Abschiebungstermins sei gesetzlich untersagt, Abschiebungen zur Nachtzeit seien zur Regel geworden. Auch in Niedersachsen häuften sich Abschiebungen, bei denen Familien getrennt würden, kritisiert der Flüchtlingsrat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen