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zwischen den rillenDie Zukunft des Folk kommt mit Staub daher

Jessica Pratt: „Quiet Signs“ (City Slang/Indigo)

Nice Try, du alter Datenmulti Google, doch ich suche nicht etwa nach der australischen Opernsängerin Jessica Pratt. Bestimmt nennt diese einen ganz wunderbaren Sopran ihr Eigen. Viel mehr interessiere ich mich jedoch für ihre kalifornische Namensvetterin, die zwar auch für ihre Stimme bekannt ist, dennoch ganz andere Mittel des musikalischen Ausdrucks findet. Es erscheint geradezu absurd, dass der Algorithmus hier scheitert.

Immerhin ist Jessica Pratt aus Los Angeles nicht die einzige Indie-Folkerin, die ihren Weg in meine Playlisten findet. Man kann auch Angel Olsen nennen, Julia Holter oder Joanna Newsom, man könnte auch in die Vergangenheit reisen und über Linda Perhacs, die Schottin Vashti Bunyan und die deutsche Künstlerin Sibylle Baier reden; vor allen Dingen kann man sich sehr darüber freuen, dass derzeit die immer nur scheinbar durchlässige Folk-Szene – Triggerwarnung für alle Finsterfürze – weiblich dominiert ist. Aber jetzt ist sie endlich da, die versprochene Zukunft, die beim Anti-Folk-Hype Anfang der nuller Jahre eine „noch nicht eingelöste“ Erzählung darstellte.

Diese Zukunft liefert nun endlich das dritte Album der eingangs genannten 31-jährigen Folksängerin Jessica Pratt mit dem Titel „Quiet Signs“. Hier verstummt alles um die HörerInnen herum, doch ganz sicher nicht die Musik dieses Albums und die Stimme dieser famosen Künstlerin. Autos auf der Straße fahren plötzlich leiser, die Wände des Altbaus werden spontan schalldicht, und die Müllabfuhr will einen nicht nerven und bricht schlicht die Tür auf, wo sonst geklingelt wird. Denn ein jeder, der auch nur in die Nähe dieses kleinen Folk-Meisterwerks kommt, verspürt den unbändigen Willen zu hören, statt zu lauten.

Gesteigerte Aufmerksamkeit kann schon der Auftaktsong, „Opening Night“, produzieren. Vom Leib-und-Magen-Instrument Gitarre kurz an das Klavier wechselnd, schlägt Pratt direkt, und auch bis zum Ende der neun Stücke durchgängig, den richtigen Ton an. Das wird untermalt von neuer Aufnahmetechnik: Pratt verließ die eigenen vier Wände, um diesmal den spröden Charme des Bedrooms mit professioneller Studiotechnik zu tauschen. Glücklicherweise entstand hierbei nicht etwa der befürchtete Hi-Fi-HD-Ultra-4K-Sound, sondern vielmehr hochgekonntes Rauschen, leichtes Zerren und durch geschickte Mikrofonierung der Eindruck, Pratt säße gleich vor der eigenen Nase oder gar auf einem der drei Gehörknöchelchen.

So entsteht ein Duett aus Soundwelten: Einerseits das Heimliche, des immer noch in eigenen Sphären arbeitenden Gesangsapparats; andererseits kommen Gitarre, Orgel oder auch Flöte mit so viel Staub daher, dass die Patina mehr Geister der Vergangenheit birgt, als einem lieb sein könnte.

Diese Geister erzählen vom englischen Folk, der die US-Westküsten-Schule weitestgehend verdrängt, von der Incredible String Band, aber auch von psychedelischen Singer/Songwriterinnen der Siebziger, die – wenn sie sehr gut waren und sehr ausbeutbar – wahrscheinlich beim gefürchteten Manager David Geffen unter Vertrag waren. Gleichzeitig ist das Album „Quiet Signs“ auch deswegen so toll und berührend, weil es in Stücken wie „Here My Love“ oder „Crossing“ nur behauptet, uns bekannt zu sein. Dabei schafft die betörende Musik von Jessica Pratt jedoch zukünftige Klassiker, an denen sich die (hoffentlich) Scharen an kommenden Künstlerinnen messen lassen müssen.

Lars Fleischmann

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