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„Täglich melden sich Betroffene“

Die Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung ist ein großer Schritt, sagt die Vorsitzende Barbara Rohm

Foto: privat

Barbara Rohm

geboren 1966, ist Regisseurin sowie Mitbegründerin und Vorstandsvorsitzende bei Pro Quote Film. Gemeinsam mit Bernhard Störkmann hat sie den Vorsitz der Themis-Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt e. V. inne

Interview Carolina Schwarz

taz: Frau Rohm, seit dem Aufkommen der #MeToo-Bewegung wird immer wieder von einem Kulturwandel in der Filmbranche geredet, auch auf der Berlinale. Wie muss sich diese Kultur Ihrer Meinung nach ändern?

Barbara Rohm: Spätestens seit #MeToo wissen wir, dass sexuelle Belästigung und Gewalt in der Filmbranche ein ernstes Problem ist. Die Branche muss sich weiterentwickeln und das heißt, gerade auf Gleichstellung und Diversität achten. Doch das Problem ist, dass wir weiterhin die Last für die Veränderung auf den Schultern der Betroffenen ablegen. Stattdessen muss die Branche etwas tun, damit die Schweigekultur gebrochen wird. Das heißt, die Verantwortlichen müssen sich mit dem Thema auseinandersetzen und ihre Arbeitskultur verändern. Nur dann ist es möglich, dass Betroffene den Mut aufbringen können, sich zu äußern, und es dann auch Konsequenzen für die Täter gibt. Doch davon sind wir noch weit entfernt.

Um die Betroffenen nicht alleine zu lassen, wurde auf der letzten Berlinale eine Vertrauensstelle für Betroffene sexueller Belästigung angekündigt. Seit Oktober ist sie nun da. An wen richtet sich ihr Angebot?

„Themis“ richtet sich an alle Beschäftigten, unabhängig davon ob sie selbstständig oder festangestellt sind, der Film-, Fernseh- und Theaterbranche, die sexuelle Belästigung oder Gewalt erlebt haben. Im „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ steht festgeschrieben, dass alle Unternehmen verpflichtet sind, eine Beschwerdestelle für Betroffene einzurichten. Große Produktionsfirmen haben das auch, doch wird das kaum wahrgenommen.

Warum?

Beschäftigte, vor allem Freie, haben häufig Angst, sie in Anspruch zu nehmen. Sie wollen nicht als schwierig gelten und befürchten, dass eine Beschwerde eine Gefahr für ihre Karriere ist. Auch bei der Vertrauensstelle sind häufig die ersten Fragen, was mit ihren Daten passiere und ob sie wirklich anonym bleiben.

Doch das Angebot der externen Beratung wird wahrgenommen?

Ja, konkrete Zahlen kann ich nach so einer kurzen Zeit noch nicht sagen. Doch es melden sich täglich Betroffene. Die meisten von ihnen sind Frauen, die als Schauspielerinnen tätig sind. Doch auch Männer und Menschen aus anderen Bereichen der Branche haben schon eine Beratung in Anspruch genommen.

Was erwartet einen bei Ihnen?

Bei der Vertrauensstelle arbeiten eine Juristin und eine Psychologin – wenn Betroffene sich melden, haben Sie die Chance, mit beiden zu sprechen. Wie es dann weitergeht, hängt von den Bedürfnissen der Einzelnen ab. Mit der Begleitung der „Themis“ können sie beispielsweise eine Beschwerde an das jeweilige Unternehmen richten. Wenn sie beschließen, klagen zu wollen, oder Therapie benötigen, können sie dann an eine juristische Vertretung oder an Therapeut*innen vermittelt werden.

Reichen zwei Mitarbeiter*innen aus, um dem gerecht zu werden?

Das ist sehr schwierig, denn es gibt viel zu tun. Es müssen Präventionsmaßnahmen ausgearbeitet werden, in der Branche besteht viel Informationsbedarf, und es melden sich auch immer wieder Unternehmen, die Hilfe oder Informationen haben möchten. Das ist mit zwei Personen schwer zu leisten, deswegen ist gerade auch die Frage, wie wir das weiter finanzieren. Denn „Themis“ will nicht nur Betroffene beraten, sondern auch auf einen Kulturwandel hinarbeiten.

Hat sich in der Branche auch etwas zum Positiven verändert?

Doch, dass es jetzt eine externe Beschwerdestelle gibt, ist ein großer Schritt für die gesamte Branche. Mit Blick auf die Berlinale zeigt sich auch, dass eine Sensibilisierung für mehr Gendergerechtigkeit stattgefunden hat. Waren früher in der Wettbewerbskategorie hauptsächlich Filme von männlichen Regisseuren vertreten, ist es schön zu sehen, dass dieses Mal über 40 Prozent der Filme von Regisseurinnen stammen. Man sieht also, wenn man etwas verändern will, dann ist es auch möglich. Nun gilt es zum Beispiel mit einer Quote dafür zur sorgen, dass dies keine einmalige Sache ist und beim nächsten Festival die Filme von Frauen wieder vergessen werden. Dass die Entwicklung positiv weitergeht und eine Willkommenskultur für weibliche Filmemacherinnen geschaffen wird, liegt jetzt in den Händen der beiden Nachfolger*innen der Festivaldirektion.

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