: Zu groß für die Badewanne
REPTILIEN Wasserschildkröten, Bartagamen oder sogar Pythonschlangen werden als Haustiere beliebter. Doch viele Besitzer haben sich vorab nicht genügend informiert
Guido Westhoff, Reptilienexperte
VON BIRK GRÜLING
Mehrmals pro Woche bekommt der Tierpark Hagenbeck neue Tiere angeboten: Schildkröten, Schlangen und Echsen in allen Größen und Farben, die bei ihren Besitzern nicht mehr artgerecht gehalten werden können. „Wir können natürlich nicht wahllos Tiere aufnehmen“, sagt Guido Westhoff, Leiter des Tropenaquariums und Reptilienexperte.
Die Gründe für die Abgabe sind vielfältig. Mal ist die kleine Python überraschenderweise stolze vier Meter lang geworden, die Kinder haben das Interesse an den langlebigen Schildkröten verloren oder die Stromkosten für das Terrarium der Bartagamen sind auf Dauer zu hoch. In den meisten Fällen hätten sich die Leute im Voraus nicht genügend informiert, sagt Westhoff. Schließlich seien die einschlägigen Fakten „kein Geheimwissen“. Doch während bei der Anschaffung von Hunden und Katzen monatelang Bücher gewälzt und Tierexperten befragt werden, ist der Kauf von Reptilien oft sehr viel unbedachter.
Dabei spricht im Prinzip nichts gegen eine artgerechte Haltung von Reptilien im Privathaushalt. Dank unzähliger Internetforen, Bücher und Reptilienzeitschriften gibt es haufenweise Informationsquellen, mit deren Hilfe man sich einen Überblick verschaffen kann.
Als Anlaufstelle bei Fragen eignen sich auch Terrarien-Vereine. Hier bekommen Anfänger von erfahrenen Ansprechpartnern Tipps zur richtigen Haltung oder zum passenden Tierarzt in der Umgebung – und können schon einmal einen Blick auf die ausgewachsene Variante ihres schuppigen Lieblings werfen. In Zoohandlungen wird über diesen Punkt häufig nur unzureichend aufgeklärt – ein Fehler, der im Nachhinein sehr teuer werden kann: „Ein Terrarium, das für eine junge Schlange oder Schildkröte noch ausreichend war, ist für ein ausgewachsenes Tier oftmals zu klein“, sagt Westhoff. Wer das Tier artgerecht halten wolle, komme dann um eine Neuanschaffung nicht herum.
Die artgerechte Umgebung ist der kostenintensivste Teil der Reptilienhaltung. So brauchen die sehr beliebten Bartagamen mindestens zwölf Stunden am Tag eine UV-Beleuchtung und eine angenehm warme Temperatur in ihrem Heim. Die Beleuchtung mit einer Speziallampe mit knapp 2.000–2.500 Watt ist auf Dauer auf der Stromrechnung durchaus spürbar.
Die Reinigung der Tiere und die Fütterung sind dagegen deutlich weniger zeitintensiv als bei Kaninchen und Co. So reichen vielen Schlangenarten eine tote Maus pro Woche als Futter. Lebende Mäuse zu füttern ist dabei längst unnötig, im Tierhandel bekommt man tote und tiefgefrorene Futtermäuse im Zehnerpack. „Der Stoffwechsel der Reptilien ist wechselwarm und damit essen und koten sie deutlich weniger als Nager“, sagt Westhoff.
Das heiße allerdings nicht, dass sie weniger Aufmerksamkeit brauchten, so der Reptilienexperte. Herumtragen oder auf den Arm nehmen müsse man die Tiere zwar nicht, doch wie jedes andere Haustier sind auch Reptilien kein Kinderspielzeug, auch wenn eine Schildkröte vielleicht robust wirkt und quälende Fehlhaltung länger erduldet. „Es gibt durchaus Schlangen und Echsen, die sich an regelmäßige Berührungen gewöhnen“, sagt Westhoff.
Weil sich die Leute vor dem Kauf zu wenig informieren, werden Reptilien immer wieder ausgesetzt. Die Auffangstationen sind in den meisten Städten überfüllt und die Tierheime oftmals überfordert. Ein Verbot von Reptilienhaltung hält Zoologe Westhoff trotzdem für sinnlos. „Unter den Reptilien-Profis gibt es Anlagen, die so manchen Zoo in den Schatten stellen“, sagt er. Unter guten Voraussetzungen könne man auch exotische Tiere artgerecht halten.
Außerdem brauchen auch Kaninchen oder Meerschweinchen genügend Auslauf und Pflege – an ein Haltungsverbot denkt trotzdem keiner.