: Remis im Ringen mit sich selbst
Der Avantgardemusiker Fred Frith im Spiel mit der Vergangenheit im Babylon
Von Thomas Mauch
Weil doch nichts verkommen soll. Nachhaltigkeit eben. Wobei man sich schon fragen kann, was die nun bei der Kulturverfertigung zu bedeuten hat. Jedenfalls gab es noch eine Menge Tonmaterial, das einst keinen Eingang in den 1990 erschienenen Film „Step Across The Border“ gefunden hat, in dem sich die Filmemacher Nicolas Humbert und Werner Penzel in einem Trip rund um die Welt an die Fersen des Avantgardemusikers Fred Frith hefteten. Und aus diesen Geräuschen – Verkehrslärm, Gesprächsfetzen, musikalisches Material – haben Humbert und der Pariser Klangkünstler Marc Parisotto nun eine Soundcollage geschaffen.
„Cut Up The Border“ heißt das Hörstück, am 15. Februar ist es in der Ursendung im Deutschlandfunk Kultur zu hören. Am Donnerstag konnte man sich im Babylon in Mitte aber bereits einen Eindruck verschaffen von dem Stück, und zwar unter der sozusagen doppelten Mitwirkung von Fred Frith, weil der Musiker auf der Bühne live zu der Soundcollage improvisierte, bei der schon reichlich von den damals aufgenommenen Frith-Spuren zu hören ist.
Also Frith im Gespräch mit seiner eigenen Vergangenheit. Was sich im ersten Moment nach einer prima Idee anhört. Die sich im Lauf des Konzerts aber doch nach einer Idee mit Hinkebein entpuppte. Zwar schaute man Frith schon weiterhin gern dabei zu, wie er sich in seine Musik nestelte und die Gitarre mit Bürsten, Stöcken und sonstigem Gerät traktierte. Ins Hinken allerdings kam die Sache, weil sich auf der Bühne gar keine echte Gesprächssituation einstellen konnte, da gab es nur dieses durchaus raumgreifende zugespielte Hörstück, zu dem der Live-Frith einigermaßen höflich ein paar musikalische Kommentare abgab. Ein Austausch war das nicht. Sicher ist Fred Frith, mittlerweile kurz vor dem 70. Geburtstag stehend, weiter ein gewiefter Improvisationsmusiker, der an diesem Abend im Spiel mit sich selbst aber bestenfalls ein Unentschieden abringen konnte.
Manchmal wirkte er gar etwas verloren, wie er da alleingelassen mit seinem Spielzeug um das Spielzeug aus der Konserve herumspielte.
Eingesackt im Kinosessel ließ man sich das als eine Art avancierte Ambientmusik gefallen. Dass das aber durchaus mal als Störmusik gedacht war, durfte man in dem im Anschluss gezeigten „Step Across The Border“ erleben. Der Film, der auch die herausragende Bedeutung von Fred Frith als Protagonist einer weltweiten Szene, die das weite Niemandsland zwischen Jazz und Rock auskundschaftete, zeigt – gerade weil die Kamera gar nicht immer ihn in den Blick nimmt, sondern ausgiebig auch andere MusikerInnen wie Arto Lindsay, John Zorn und Iva Bittova verfolgt.
Was da mal für eine mitreißende, vibrierende Musik gemacht wurde in diesem internationalen Austausch mit Frith als Kommunikator, das vermittelt dieser Film visuell so mitreißend und vibrierend in der Montage, dass dieses verblüffte „Wow!“, das im Babylon am Schluss der Vorstellung aus den Publikumsreihen zu hören war, das allemal angemessene Schlusswort ist.
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