: „Da wird nicht mit Wattebällchen geschmissen“
SCHLECKER Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück hat die Politik aufgefordert, ehemalige Schlecker-Angestellte bei der Gründung von Genossenschaften zu unterstützen
■ Leben: 50 Jahre alt, Konzernbetriebsratschef bei Porsche. Er wuchs als Heimkind auf und begann seine Karriere bei dem Autobauer als Lackierer. Heute ist er dort auch stellvertretender Aufsichtsratvorsitzender.
■ Buch: Uwe Hück. „Volle Drehzahl. Mit Haltung an die Spitze“. Campus Verlag, 2012, 214 Seiten, 19,99 Euro
INTERVIEW KRISTIANA LUDWIG
taz: Herr Hück, ehemalige Schlecker-Angestellte wollen einige der geschlossenen Filialen nun in Eigenregie weiterführen. Warum sollten sie dafür Geld vom Staat bekommen?
Uwe Hück: Weil die Subventionsvergabe in Deutschland mehr als ungerecht ist. Alles, was ungerecht ist, macht mich wütend.
Sie haben die baden-württembergische Landesregierung öffentlich aufgefordert, den Schlecker-Verkäuferinnen bei der Gründung von Genossenschaften zu helfen.
Ja, die hatten mich angerufen und gefragt, ob ich sie unterstütze. Ich finde, dass sich jeder Gewerkschafter für Arbeitnehmer einsetzen sollte, auch wenn sie nicht in seine Branche gehören. Es ist gut, dass diese Frauen den Mut haben, zu sagen: Wir wollen nicht in die Arbeitslosigkeit. Wir wollen nicht, dass die Gesellschaft für uns bezahlt.
Damit greifen Sie wieder die Streitfrage auf, ob der Staat für das Versagen eines Unternehmens aufkommen sollte oder nicht.
Es ist erschreckend, was bei Schlecker passiert ist. Da hat ein einziger Mensch entschieden, was mit 20.000 Arbeitnehmern passiert – ohne sich dabei in die Bücher schauen zu lassen. Da gab es keinen Aufsichtsrat. So etwas darf man in Deutschland nicht mehr zulassen. Hier hat die Politik nicht aufgepasst. Jetzt kann undmuss sie helfen.
Die Ursache für die Schlecker-Pleite lag in Ihren Augen also in der Politik?
Ja, unter anderem. Die Politik hat weggeschaut. Bei Schlecker gab es keinerlei Mitbestimmung oder Kontrolle. Ich habe nichts dagegen, wenn einer reich wird. Aber wenn sich ein Unternehmer nicht kontrollieren lässt, müsste er für den Schaden auch aufkommen und kann sich nicht hinter dem Staat verstecken.
Weshalb ist es jetzt sinnvoll, die Gründung der Genossenschaften zu unterstützen?
Mir wäre eine Auffangregelung lieber gewesen. Dazu ist es ja nicht gekommen.
Politiker der Union und der FDP in Bund und Ländern hatten sich dagegen entschieden, die arbeitssuchenden Schlecker-Angestellten finanziell zu unterstützen.Die FDP hat keine Seele. Aber wenn ich mir nun das Genossenschaftsmodell ansehe, bin ich auch vorsichtig.
Haben Sie wirtschaftliche Bedenken bei den selbstverwalteten Drogerien?
Die Frauen werden jetzt Geld einbringen und gehen ein doppeltes Risiko ein. Und wenn das schief geht? Schließlich müssen Kunden kommen und die Lieferanten müssen bereit sein, zu kooperieren. Ich komme aus der Wirtschaft. Da wird nicht mit Wattebällchen geschmissen. Hier müssen alle mitmachen.
Sind Sie grundsätzlich skeptisch gegenüber Genossenschaften?
Ich bin dagegen, zu pauschalisieren. Durch diese Wirtschaftsformen überleben Betriebe den allgemeinen Wettbewerb. So mag dieses Konzept für Biobauern funktionieren. Doch im Fall von Schlecker bin ich skeptisch.
Also setzen Sie sich für eine Sache ein, von der Sie selbst gar nicht überzeugt sind. Geht es Ihnen nur um das Kämpfen?
Nein. Ich bin ein Mensch, der den Mund aufmacht. So wie im Kinderheim. Dort habe ich mich auch eingesetzt, wenn etwas ungerecht war. Etwa wenn wir Kinder keine Wurst bekommen haben, anders als die Erzieher. Mir wurde die Wurst zwar nachgeworfen und ich wurde bestraft, aber ich habe sie gegessen.
Sie sind seit 30 Jahren SPD-Mitglied und haben gerade Ihre Autobiografie veröffentlicht. Bis zur Bundestagswahl 2013 wollen Sie sich in die Politik einmischen, schreiben Sie darin.
Ich will mich nicht in ein Amt drängen. Politiker sind sehr empfindlich, die Stühle sind besetzt. Ich habe noch genug Arbeit bei Porsche, aber einmischen kann man sich auch ohne Amt.
Ihr Buch liest sich wie eine Bewerbung. Sie haben eine Rede von SPD-Chef Sigmar Gabriel abgedruckt, in der er fragt: Hück als Politiker – warum nicht?
Ich habe mein Leben aufgeschrieben und auf Probleme hingewiesen. Damit will ich Menschen Mut machen, die keine Chance für sich selbst sehen.
UWE HÜCK, PORSCHE-BETRIEBSRATSCHEF
Kann ein Unternehmen wie Porsche von einem demokratischen, genossenschaftlichen Modell noch etwas lernen?
Nein. Bei uns ist die Mitbestimmung bereits intergalaktisch. Ich halte nichts von Selbstverwaltung. Wenn Sie betriebswirtschaftlich denken, können Sie nicht gleichzeitig Arbeitnehmerrechte vertreten. Das sind zwei Paar Schuhe.
Dass sich Porsche nun in Leipzig um rund 44 Millionen staatlicher Gelder bemüht, obwohl Ihr Unternehmen Gewinne einfährt, haben Sie allerdings nicht verhindern können.
Das ist richtig. Die Konzernführung hat das entschieden und wir haben darüber unterschiedliche Auffassungen. Ich finde, es sollte das Prinzip gelten: Wer hat, der gibt. Und nicht: Wer hat, der nimmt. Auch wenn ich verstehen kann, dass Länder Arbeitsplätze schaffen wollen, indem sie große Firmen subventionieren.
Sie geben also der sächsischen Landesregierung die Schuld?
Das System, nach dem Subventionen vergeben werden, hat Schuld. Porsche hat eine unternehmerische Entscheidung getroffen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass das Geld gespendet wird. Doch der Staat sollte gar keine Unternehmen finanzieren. Das verzerrt den Wettbewerb.
Noch eine politische Forderung. Herr Hück, denken Sie, dass Sie mit Ihrem Ruf nach Unterstützung für Genossenschaften in der Öffentlichkeit punkten können?
Nein. Darum geht es nicht. Die Schlecker-Angestellten wollen sich nun selbst helfen, weil der Staat vorher nicht dazu bereit war. Ich finde es schade, wie leichtsinnig man hier mit Arbeitsplätzen umgegangen ist.