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Eine andere Dimension von Tennis

Ähnlich schnell wie Rafael Nadal qualifiziert sich auch Novak Djokovic für das Endspiel der Australian Open. Ihre grandiose Form weckt Erinnerungen an ein ganz besonderes Spektakel

Aus Melbourne Doris Henkel

Wie soll man Novak Djokovic aufhalten, wenn er in knapp anderthalb Stunden nur fünf unerzwungene Fehler macht? Es war ein Ding der Unmöglichkeit für den französischen Außenseiter Lucas Pouille. Im Expresstempo und mit atemberaubender Präzision rauschte Djokovic am Freitagabend in Melbourne durch das Spiel, und wenn es nicht diese andere Halbfinalpartie gegeben hätte, dann müsste man sagen, er sei der große Favorit für das Finale der Australian Open. Denn hatte Rafael Nadal, gegen den er Sonntag um den Titel spielen wird, nicht in ähnlich dominanter Form am Tag zuvor gegen Stefanos Tsitsi­pas gewonnen? Hatte er, und deshalb sprach der Serbe die einzig richtige Empfehlung aus: „Sie sollten unbedingt eine Karte für das Spiel kaufen, falls Sie noch keine haben.“

Ein Finale mit vielen Unbekannten

Gespielt haben die Tschechin Petra Kvitova und die Japanerin Naomi Osaka bislang noch nie gegeneinander. Dass sie es nun ausgerechnet im Finale eines Grand-Slam-Turniers tun, beim Endspiel der Australian Open, ist nur eine Besonderheit. Attraktiv ist diese Begegnung zudem auch, weil die Siegerin dieses Premierenduells am Samstag (9.30 Uhr MEZ) die neue Nr. 1 der Weltrangliste sein wird. Die 28-jährige Kvitova führt ihren Erfolg auf ihren unbeugsamen Willen zurück. „Ich bin ein Mensch, der niemals aufgibt“, sagte sie am Freitag. Im Dezember 2016 fügte ihr ein Einbrecher eine schwere Verletzung an der Schlaghand mit dem Messer zu. Sie hat sich eisern zurückgekämpft. Die 21-jährige Osaka dagegen eilt derzeit von einem Erfolg zum anderen. Sie gilt als die Aufsteigerin des Jahres und hat zuletzt die US-Open gewonnen. Sie räumt ein: „Es fühlt sich ein bisschen unwirklich an.“

Um zu wissen, wie gut Rafael Nadal dieser Tage in Form ist, musste man nach dem ersten Halbfinale nur einen Blick auf Tsitsipas werfen. Der war sichtlich erschüttert und meinte, er habe keine Ahnung, was er als Erkenntnis aus diesem Match mitnehmen solle. „Ich war nicht mal in der Nähe, irgendwas mitnehmen zu können. Es war eine andere Dimension von Tennis, die er gespielt hat. Ich kam mir vor wie ein Zwei-Meter-zehn-Mann, der sich nicht bewegen kann.“ Und um zu wissen, welche Bedeutung der Sieg für den anderen hatte, genügte ein Blick auf Nadal beim Weg durch die Katakomben, vorbei an den Namen der früheren Sieger. Wie er, versonnen lächelnd und in sich versunken, durch diesen Gang ging und dabei aussah wie einer, der von einem Rendezvous mit der wiederaufgetauchten ersten großen Liebe kommt. Es soll ja keiner glauben, solche Siege und solche Abende könnten je Normalität für die Großen des Tennis sein.

Als sich Novak Djokovic auf die Partie gegen Lucas Pouille vorbereitete, gönnte sich der Spanier mit Freunden einen Ausflug in die Bucht nach St Kilda. Normalerweise hat es nichts mit Chancengleichheit zu tun, wenn der eine Kandidat zwei Tage zur Vorbereitung auf das letzte Spiel des Turniers hat, der andere hingegen nur einen. Aber diesmal macht es fast keinen Unterschied, weil Djokovic genauso schnell gewann wie ­Nadal am Tag zuvor. Pouille wirkte nicht so schockiert wie Tsitsipas, doch auch er sprach hinterher von einem Gefühl kompletter Hilflosigkeit.

„Sie sollten eine Karte für das Spiel kaufen, falls Sie noch keine haben“

Novak Djokovic

Novak Djokovic und Rafael Nadal, so viel steht fest, gehen in grandioser Form in das letzte Spiel. Und bei dieser Konstellation ist es schwer, nicht in Erinnerungen an das grandiose Finale der beiden im Jahr 2012 zu schwelgen. Nicht nur, weil kein Spiel um den Titel eines Grand-Slam-Turniers je länger dauerte, sondern vor allem, weil jene 5 Stunden und 53 Minuten damals bis zum Rand gefüllt waren mit kaum glaublichen Ballwechseln, phänomenaler Athletik und Emotionen nahe dem Siedepunkt. Die Zuschauer auf den Rängen schnappten nach Luft, weil die Spannung kaum mehr auszuhalten war, und irgendwie war es ein passender Schluss, als sich Djokovic nach dem entscheidenden Punkt das Hemd vom Körper riss, nachts um halb zwei. „Ich weiß nicht, ob ich das gut erklären kann“, sagte Nadal damals hinterher, „aber wenn du fit bist, wenn du Leidenschaft hast, wenn du für die Herausforderung bereit bist, dann bist du in der Lage, alles auszuhalten. Ich habe gelitten während dieses Spiels, aber ich habe es genossen, jede einzelne schwierige Situation.“ Als Djokovic den Melbourne Park damals auf heiß gelaufenen Füßen verließ, dämmerte der Morgen.

Seit 13 Jahren begegnen sich der Serbe und der Spanier auf allen Turnieren der Welt, doch das legendäre Finale 2012 steht kurioserweise als einzige gemeinsame Begegnung in Melbourne zu Buche. In der Bilanz führt Djokovic mit 27:25, löst man allerdings die Spiele bei den Grand-Slam-Turnieren heraus, sieht die Sache für Nadal deutlich besser aus – da führt er 9:5. Eine andere, auf die Australian Open bezogene Tendenz spricht hingegen wieder deutlich für Djokovic, der von sechs Endspielen in der Rod Laver Arena kein einziges verlor; vier gewann er gegen Andy Murray, das erste anno 2008 gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga, dazu den Klassiker gegen Nadal. Der stand viermal im Finale und gewann nur das erste, vor zehn Jahren gegen Roger Federer, der danach in Tränen aufgelöst auf dem Podium stand und erst wieder halbwegs zu sich fand, nachdem ihn der Sieger getröstet hatte. Auch das eine Erinnerung aus der prall gefüllten Schatzkiste einer großen Generation.

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