: Berühmt für kurze Abende
Mateja Koležnik ist die Ausnahme im von Männern beherrschten deutschsprachigen Theaterbetrieb. In ihrer Regie besticht sie mit ausgetüftelten Theaterräumen
Von Shirin Sojitrawalla
Sie gehört zu den Vielbeschäftigten ihrer Zunft. Und zu jenen, die sich nicht mit wenig Prestige verheißenden Kinder- und Jugendtheaterstücken oder kleinen Bühnen bescheiden müssen. Damit bildet die Regisseurin Mateja Koležnik eine Ausnahme im deutschsprachigen Theaterbetrieb, wo immer noch knapp 80 Prozent aller Inszenierungen auf großen Bühnen von Männern veranstaltet werden, wie der vor einem Jahr gegründete Verein „Pro Quote Bühne“ mitteilt.
Die 1962 geborene Slowenin Mateja Koležnik inszeniert seit einigen Jahren auch in Deutschland, meist am Münchner Residenztheater, dessen Intendant Martin Kušej sie von Beginn an gefördert hat. Kennengelernt haben sich die beiden schon vor vielen Jahren am Slowenischen Nationaltheater in Ljubljana, wo sie beide inszenierten. Zur nächsten Spielzeit wechselt Kušej ans Wiener Burgtheater, und es wäre doch gelacht, wenn Mateja Koležnik dann nicht auch dort arbeiten würde.
Eine Handvoll Stücke hat sie mittlerweile am Residenztheater umgesetzt, zuletzt „Ein Volksfeind“ von Henrik Ibsen. Für den Clou des Abends sorgte, wie so oft bei ihr, das Bühnenbild, diesmal ein sich drehender Glaskasten, in dem die Figuren wie Reptilien im Terrarium wirken. Oft kommt auf ihren Bühnen alles Grau in Grau daher, Alan Hranitelj steckt die Schauspieler auch diesmal in trostlose Klamotten, die Allerweltsmode signalisieren. Gerade mal 90 Minuten vergehen, bis Thomas Stockmann, den Thomas Schmauser als fiebrigen Weltverbesserer gibt, einsehen muss, dass es keinen Ausweg gibt. Doch mehr als die nicht zu gravierenden Ambivalenzen neigenden Schauspieler bleibt der Bühenraum im Gedächtnis.
Oft arbeitet Koležnik mit dem Bühnenbildner Raimund Orfeo Voigt zusammen, das erste Mal 2015 am Residenztheater für die Produktion „König Ödipus“. Das Stück spielt sich bei ihnen in einer Art Tunnel ab, welcher die Bühne zum Cinemascope-Guckkasten verwandelt. Ganz ähnlich die Bühne von Voigt und Kathrin Kemp im Theater in der Josefstadt, wo Koležnik jüngst „Der einsame Weg“ von Arthur Schnitzler in Szene setzte. Wieder nutzen sie die volle Breitseite der Bühne, die diesmal aus hohen Türen und Fensterrahmen besteht, die sich immer wieder ruckelnd in Gang setzen und wie am Fließband vorbeiziehen. Es sind Transiträume, Übergänge, die Koležniks Arbeiten adeln; die Figuren darin sind nicht hier und nicht da, sondern unterwegs. Manchmal wirken sie wie Möbelstücke, die hin- und hergeschoben werden. Auch in Wien herrscht ein Grau in Grau, die Kostüme von Alan Hranitelj strahlen befremdlich schicke Fahlheit aus, die gut passt zu Schnitzlers Stück.
Ihr Diplomstudium der Theaterregie an der Akademie für Theater, Radio, Film und Fernsehen in Ljubljana schloss Koležnik 1990 mit einer Inszenierung von Harold Pinters „Geburtstagsfeier“ ab. 2017 inszenierte sie am Residenztheater Molières „Tartuffe“ als verspieltes Auf und Ab der Eitelkeiten. Treppen beherrschten damals das Bühnenbild von Voigt und hohe holzgetäfelte Türen, hinter denen sich die Menschen verbergen können, was sie in Koležniks Inszenierungen oft tun. Manchmal sieht man sie gar nicht, sondern hört nur, was sie sagen. Das verleiht dem Ganzen Hörspielcharakter und schärft die Aufmerksamkeit.
Ihre ausgetüftelten Theaterräume funktionieren dabei wie ein Korsett, welches das Stück stützt sowie den Blick des Zuschauers fokussiert. Bestenfalls beginnt der darin gesprochene Text dann zu leuchten. „Für mich ist es wichtig, dass wir wirklich verstehen, warum die Figuren im Stück etwas sagen und was sie damit verstecken“, hat Koležnik in einem Interview gesagt.
Nicht einmal 90 Minuten benötigt Koležnik, um Schnitzlers Geschichte an ihr tragisches Ende zu führen. Für kurze Abende ist sie ebenso berühmt wie für ihre eleganten Bühnenräume. Reduktion lautet eines ihrer Theaterheilmittel, wobei nicht bestritten werden kann, dass da schon mal etwas auf der Strecke bleibt. Kürzlich etwa in Stuttgart, wo sie Franz Grillparzers „Medea“ in gerade einmal 75 Minuten von der Bühne wischt. Wiederum hat Raimund Orfeo Voigt ihr einen tollen Hingucker auf die Bühne gestellt, diesmal ein um einen gläsernen Schacht gebautes Treppenhaus. Ein zugiger Ort, der keine Heimat verspricht. Dort begegnen sich Medea und ihr Gatte Jason sowie seine Neue wie nebenbei: Paare und Passanten, Allerweltspersonal. Wie so oft bei Koležnik lastet eine graue Schwere über ihnen, Trostlosigkeit hängt in der Luft wie Kohlgeruch.
Sylvana Krappatsch gibt Medea als burschikose Frau von heute, die schon mal hastig eine Zigarette raucht. Insgesamt ist es ein eher flüchtiger Abend geworden, bei dem nicht recht klar wird, was eigentlich erzählt werden soll über diese berühmteste Kindsmörderin aller Zeiten. Frauen, die aus der Reihe tanzen, scheint Koležnik zu mögen. „Yvonne, Prinzessin von Burgund“ hat sie inszeniert, „Nora“, „Madame Bovary“, und im April wird sie in Basel „Yerma“ von Federico García Lorca herausbringen.
Martin Kušej wundert nicht, dass sie so gut im Geschäft ist: „Sie ist eine zutiefst sensible, ehrliche und zu sich selbst gnadenlose Künstlerin, die eine scharfe und klirrend klare Klinge ansetzt“, findet er. Trotzdem spreche aus ihren Inszenierungen ein ganz eigenständiger, femininer, slawisch-melancholischer Duktus, der offensichtlich etwas im deutschsprachigen Publikum anspreche, das es nicht kenne, aber fasziniere, fügt er an. In der Tat verströmen viele ihrer Arbeiten einen melancholischen Duktus, der fein mit den Dramen seelischer Schwerenöter harmoniert.
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