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Wolfgang Gast Leuchten der MenschheitDer „Blutmai“ – ein düsteres Kapitel über Straßenkämpfe und koloniales Erbe

Die Ereignisse sind als „Blutmai“ in die Geschichte eingegangen, sie sind ein Trauma der deutschen Arbeiterbewegung: Ende April 1929 weigerte sich in Berlin der sozialdemokratische Polizeipräsident Karl Friedrich Zörgiebel, ein im Dezember zuvor zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit erlassenes Demonstrationsverbot aufzuheben. Anlass des Verbots war die innenpolitisch dramatisch aufgeheizte Lage in der Weimarer Republik. Das gegen NSDAP-Führer Adolf Hitler bestehende Redeverbot war sechs Monate zuvor Ende September 1928 vom preußischen Innenminister Albert Grzesinski (SPD) außer Kraft gesetzt worden, am 16. November hielt Hitler dann seine erste öffentliche Rede im Berliner Sportpalast.

Auf das Verbot ihrer traditionellen Kundgebungen zum Tag der Arbeit am 1. Mai reagierte die Kommunistische Partei Deutschlands mit einem Aufruf zu einer friedlichen Massendemonstration. Angeblich soll sie auf Flugblättern wahrheitswidrig behauptet haben, das Demonstrationsverbot sei zwischenzeitlich aufgehoben worden.

Diesem Aufruf folgend versuchten am 1. Mai 1929 Tausende Demonstranten von den Berliner Außenbezirken in das Stadtzentrum zu ziehen. Als sich ihnen ein insgesamt 13.000-köpfiges Polizeiaufgebot entgegenstellte, kam es in ganz Berlin zu blutigen Straßenkämpfen, in deren Verlauf die Polizei schließlich in die Menge schoss. An verschiedenen Stellen der Stadt errichteten daraufhin Demonstranten unter Führung des Roten Frontkämpferbundes (RFB) Barrikaden und Straßensperren. In Wedding und Neukölln wurde der Ausnahmezustand ausgerufen.

Die drei Tage anhaltenden Unruhen forderten 33 Tote und 200 Verletzte. Mehr als 1.200 Personen wurden verhaftet. Aus Anlass des sogenannten Blutmais verbot die von der SPD geführte preußische Regierung den RFB. Ihm wurde vorgeworfen, einen kommunistischen Aufstandsversuch unternommen zu haben. Die KPD ihrerseits warf der SPD daraufhin Verrat an der Arbeiterbewegung vor und erklärte den Kampf gegen den sozialdemokratischen „Sozialfaschismus“ zu einem Hauptziel ihrer zukünftigen Politik.

Dutzende Zivilisten sterben auch im Kriminalroman „Blutmai“ (Gmeiner Verlag), der kürzlich erschienen ist und dessen Autor Robert Baur seine historisch gut eingebettete Story um ein weiteres düsteres deutsches Kapitel ergänzt: das Erbe des Kolonialismus, über das im Zusammenhang mit dem Umzug des Ethnologischen Museum in Dahlem ins Humboldt Forum diskutiert wird. Abseits der Straßenkämpfe entdeckt danach Exkommissar Grenfeld einen Schädel in einer Hutschachtel. Es ist der Kopf des Kolonialgründers Carl Peters, und schon bald führen die Ermittlungen zu den Grausamkeiten in Deutsch-Ostafrika. Wie das Ganze ausgeht, wird hier mal nicht verraten.

Der Autor ist Redakteur der taz

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