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berlinmusikLost Riot Grrrl

Nadia Buyse alias Dubais hat eine lange und einigermaßen unübersichtliche Künstlerinnenvita hinter sich: An ihren Wirkungsstätten – darunter Olympia/Washington, Portland/Oregon, Antwerpen und Berlin – spielte und sang die US-Musikerin in mehr als 30 Bands, die allesamt im queeren Punk-Underground anzusiedeln waren. Zudem ist sie Performance- und Videokünstlerin, ihre Arbeiten waren unter anderem in Chicago, New York und bei der documenta 13 zu sehen. Und doch läuft sie bis heute unter dem Radar.

Wer Buyse entdecken will, bekommt auf ihrer nun veröffentlichten Bandcamp-Kompilation „37 Bands – The Nadia Buyse Story“ ausreichend Gelegenheit dazu (wobei der Titel eine selbstironische Anspielung darauf ist, dass sie mit dem Zählen der Bandprojekte selbst irgendwann nicht mehr hinterherkam). Es sind dann zwar doch nicht ganz 37 Bands vertreten, aber immerhin 11 Projekte, bei denen sie mitwirkte. 25 Songs sind zu hören, viele davon zutiefst geprägt von der Riot-Grrrl-Subkultur – kein Wunder, lebte Buyse doch in der Riot-Grrrl-Hochburg Olympia. Cool ist bei ihr vor allem die Mischung aus politischem Anspruch und Humor. In einem Liebeslied reimt sie zu Synthie-Getucker die geile Zeile „You’re just a Samsung Galaxy away“, in „Jonny Get Me High“ dagegen singt sie zu ebenso krawalligen Beats: „No nations / no borders / no nations.“

Dann wieder sind ein paar garagige Aufnahmen gemeinsam mit Everett Darling zu hören (unter dem Alias Business Lunch), bei denen die beiden ihr Deutsch testen („Ausländer für Kulturautonomie“). Schließlich sind da auch noch knallige Coverversionen von „Be my Baby“ (Ronettes) und „Looking for a Kiss“ (New York Dolls), die sie als DJ European DJ zum Besten gibt.

Bei Buyse, die mittlerweile nur noch sporadisch in Berlin ist und in England promoviert, schwingt jederzeit ein emanzipatorischer Anspruch mit – Punk und D.I.Y. als Anleitung zum Selbstdenken und -machen.

Ihren Pop-Entwurf nennt sie dabei mit Bezug auf ihre familiären Wurzeln im arabischen Raum „Arabfuturism“. In dieser Arabfuturistin steckt aber ein echtes „Lost Riot Grrrl“, wie man sagen könnte – eine tolle Musikerin und Sängerin, die es längst verdient hätte, stärker wahrgenommen zu werden. Jens Uthoff

Dubais: „37 Bands Mixtape“ (Download unter: dubais.bandcamp.com)

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